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Am 13. abends kam Emil in Nacht und Nebel heim — krank! Mir löste sich ein Krampf von der Seele, wie er da war. Ich kam über der zitternden Freude, ihn wieder zu haben, gar nicht zum Bewußtsein, wie sehr ich gleichzeitig erschrak.

Die Nacht und der nächste Tag vergingen leidlich. Der Regimentsarzt kam sofort, sprach keine Befürchtung aus, verordnete Emil aber doch vorsichtshalber Cholerapulver und legte uns beiden Quarantäne auf.

Trotzdem war ich diesen Tag noch ganz heiter und ruhig. Ich desinfizierte am Morgen sofort alle Sachen, die Emil in den Cholerabaracken gehabt hatte, noch ein zweites Mal. Ich wollte es dem Diener nicht überlassen, weil er mir zu wenig verläßlich war. Emil lag zu Bett und der Tag verging ganz gut.

In der darauffolgenden Nacht jedoch fing ich mit denselben Symptomen an. Ich werde nie vergessen, wie mich Emil, im Bett aufgerichtet, entgeistert anstarrte !

Dieser 15. Oktober war ein jammervoller, grauenhafter Tag.

Wir sagten uns immer wieder, daß es bei mir nur die Reaktion der qualvollen Aufregung und als solche ganz natürlich sei. Die Nerven lassen eben einmal los.

Aber das Choleragespenst saß doch den ganzen Tag hohläugig zwischen uns. Dazu stand Emil noch unter den Eindrücken von Krowniki, dem furchtbaren Anblick der Kranken und Toten, von denen er jeden Tag einige, einmal sogar zehn an einem Tag, begraben. Er litt Todesqualen um mich.

Wir waren beide so schwach, daß wir kaum sprachen. Wir hielten uns nur bei den Händen. Am meisten quälte mich der Gedanke, daß man uns trennen würde, falls

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/64&oldid=- (Version vom 1.8.2018)