Entwurf zu einem internationalen „Folkloristenbund“ aufgestellt, der die Vertreter der Volkskunde in den verschiedenen Ländern einander näher bringen und vor allem die fortwährende Wiederholung derselben Arbeit beseitigen soll. Wer jemals auf dem Gebiet der vergleichenden Volkskunde gearbeitet hat, weiß, wie schwierig es ist, sich das Material zusammen zu suchen, es zu erlangen. Bei solcher Arbeit will der Verband unterstützend und beratend eingreifen. Er will Kataloge über Material der verschiedenen Länder herausgeben, will Abschriften, Auszüge und Übersetzungen gegen mäßiges Honorar vermitteln, wichtige wissenschaftliche Arbeiten unter seine Fittiche nehmen und in einer leicht zugänglichen Sprache veröffentlichen, durch periodische Zusammenkünfte die volkskundlichen Bestrebungen in den einzelnen Ländern fördern und die Arbeit vertiefen. Die Angelegenheit befindet sich erst in den Anfängen der Entwicklung. Aber ich halte es für meine Pflicht, unsre Mitglieder schon heute darauf hinzuweisen, da wir möglicherweise bereits auf der Berliner Tagung zu ihr Stellung nehmen müssen.
In zwei Aufsätzen: „Über das germanische Loosen“ (Monatsber. der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1853) und „Die Loosstäbchen“ (Symbolae Bethmanno Hollwegio oblatae; S. 69 ff., Berl. 1868) hat Homeyer das altgermanische Losen durch die Kavelstäbchen im Volksbrauch nachgewiesen. Die angeführten Zeugnisse stammen fast alle aus Norddeutschland und Skandinavien, keins aus Oberdeutschland. Sollten sich hier gar keine Beispiele dieser altgermanischen Sitte im Rechtsleben finden? Vielleicht steckt das eine oder andre in seltenen oder verschollenen Schriften. Sollte sich hier oder da noch der Brauch erhalten haben, so wäre ich für eine Mitteilung sehr dankbar. Besonders kommt es hierbei auch mit darauf an, ob sich noch irgendwo ein Zusammenhang mit den Kavelstäbchen und den Hausmarken nachweisen läßt, d. h. ob die Teilnehmer beim Kaveln sich ihrer Hausmarke bedienten.
Die einzelnen Vereine des Verbandes werden gebeten, uns möglichst bald Namen und Adresse ihres Vorsitzenden bezw. Schriftführers, sowie die Mitgliederzahl des Vereins zukommen zu lassen. Auch wären wir dankbar, wenn man uns auf Vereine hinwiese, die ebenfalls die volkskundliche Überlieferung pflegen, aber sich noch nicht dem Verbande angegliedert haben. Diese sowie alle übrigen Mitteilungen im Interesse des Verbandes beliebe man an die Adresse des Schriftführers, Dr. Oskar Dähnhardt, Leipzig-Gohlis, Marbachstr. 9, zu richten.
Diejenigen Vereine, die den Jahresbeitrag für 1907 noch nicht eingesandt, bitten wir, denselben möglichst bald an unsern Rechnungsführer, Herrn Dr. Pantenius, Leipzig-R., Breitkopfstr. 7, gelangen zu lassen.
Buchdruckerei Richard Hahn (H. Otto), Leipzig.
Oskar Dähnhardt (Red.): Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde Nr. 6. Richard Hahn (H. Otto), Leipzig 1907, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mitteilungen_des_Verbandes_deutscher_Vereine_f%C3%BCr_Volkskunde_6.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)