durch seine „444 Jodler und Juchezer“ (2. Aufl. 1906), durch seine Zeitschrift „Das deutsche Volkslied“ und durch die 1889 erfolgte Begründung des deutschen Volksgesangsvereins in Wien. Seinem Beispiel folgten die Vereine in Bozen, Brünn, Graz, Liesing, Wien (Volksliedverein), und im deutschen Reich Benrath, Gera und Neuruppin, die alle zur Pflege des lebenden Volksliedes gegründet worden sind.
Man sollte nach dem Vorgeführten meinen, es wäre genügende Arbeit geleistet worden, doch ist das nicht der Fall. Die älteren genannten Sammlungen haben in der Regel keine oder nur wenige Singweisen, sie zeigen ferner unbeabsichtigte oder willkürliche Änderungen, ja bewußte Fälschungen. Auch die Mundart ist unzulänglich oder geradezu falsch wiedergegeben. So hat noch bei einer vor kurzem erschienenen Sammlung Krauß und Blümmls, „Ausseer und Ischler Schnaderhüpfler“, Pommer arge Schnitzer nachgewiesen. Ferner sind manche der älteren Sammlungen auch antiquarisch nicht mehr zu beschaffen. Zahllose wertvolle Lieder sind verstreut in landschaftlichen Zeitschriften, Heimatkunden, Jahrbüchern und Zeitungen, deren ältere Jahrgänge nur wenigen oder überhaupt nicht zugänglich sind. Abgesehen von diesem gedruckten Bestand, der also einer einheitlichen Verarbeitung und Herausgabe dringend bedarf, ist noch ein großer Schatz unbekannter Lieder zu heben, teils aus noch unbenützten Handschriften, teils aus dem Volksmund. So besitzt z. B. das Museum in Salzburg eine umfängliche Liedersammlung aus dem Nachlaß von Süß und der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen mehrere alte handschriftliche Liederbücher vom 18. Jahrhundert herauf mit Singweisen. Allerorten werden auch in älteren bäuerlichen und bürgerlichen Familien wertvolle alte handschriftliche Liederbücher mit Singweisen und Begleitung von Zither, Gitarre oder Klavier aufbewahrt, aber als pietätvoll gehüteter Familienbesitz auch gegen größere Summen nicht hergegeben, so daß man sich der Mühe oder Kosten einer Abschrift unterziehen muß.
Mit dem Aussterben des lebenden Volksliedes hat es in Österreich noch seine guten Wege. Freilich nur in Hochtälern, Waldbergen und Gegenden mit reiner Feldwirtschaft. „Vor dem Qualm der Fabriken verschwinden die Volkslieder, wie einst die Elfen vor dem Schall der Glocken.“ (Böckel.) Seitdem in Deutschland Volkslieder gesammelt und aufgezeichnet werden, – und das ist bald 150 Jahre her – ertönt immer wieder die Klage, das Volkslied sterbe aus, man könne es nur mehr von einigen alten Frauen hören, es sei die höchste Zeit, die vorhandenen Reste durch Schrift und Druck festzuhalten und vor dem Untergang zu retten. Aber seit Herders Bemühungen, der auch das Wort Volkslied geprägt hat, seit Arnims und Brentanos Sammlungen wurden in allen deutschen Landschaften Tausende und aber Tausende von Volksliedern gefunden. Und je später, um so tiefer wurde geschürft und um so reicheres Edelmetall zutage gefördert. Goethe hat im Sommer 1771 für Herder „auf seinen Streifereien im Elsaß aus den Kehlen der ältesten Mütterchen“ ein Dutzend Balladen „aufgehascht“. Kurt Mündel, der ein Jahrhundert später elsässische Volkslieder sammelte, teilt nach strenger Auswahl unter seinen Funden 256 Stücke mit. Zwei Beispiele aus meinen eigenen Erfahrungen: Aus der Sprachinsel Gottschee hat Schröer in seinem Wörterbuch dieser Mundart (1876) 30 Lieder veröffentlicht. Man hatte damals den Eindruck, es wäre alles. In meinem Buch über diese Sprachinsel (1895) habe ich 150 durchwegs mundartliche
Oskar Dähnhardt (Red.): Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde Nr. 8. Richard Hahn (H. Otto), Leipzig 1908, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mitteilungen_des_Verbandes_deutscher_Vereine_f%C3%BCr_Volkskunde_8.djvu/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)