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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Bd4 1754

Anmerkungen des seel. des Vignoles über die Musik der Alten.
3.  In der Versammlung der Königl. Gesellschafft zu Lyon, welche den 15ten April 1750 gehalten ward, handelte Hr. Olivier von dem Nutzen den die Musik in der Medicin haben könnte. Die Luft an sich hat die Eigenschafft daß sie von einem klingenden Körper unterschiedlich verändert werden kan, und die verschiedene Töne der Musik würken unmittelbar auf den menschlichen Körper. Hypocrates hat schon davon geschrieben. Viele Gelehrte sind eben der Meinung, und das beweiset die Naturlehre[.] Die Musik kan Leidenschafften erwecken und stillen. Sie hat Gemüthskranckheiten geheilet, die Unsinnigkeit, den Wahnwitz, die Tiefsinnigkeit, die Milzsucht, den Stich der Tarantel. Aber Hr. Olivier gehet noch weiter. Die äusere und innere Lufft in dem Körper stehen in Harmonie, die Schläge der schallenden Lufft können sich der innern Lufft mittheilen, und dadurch den Kreislauf des Geblüts in etwas hemmen oder beschleinigen, es mehr oder weniger flüßig machen, ändern oder herstellen, die Nerven und Lebensgeister erschüttern, unsere Werkzeuge schwächen oder stärken, die Gesundheit herstellen, und das Leben verlängern, indem sie ein genaues Gleichgewicht zwischen unsern verschiedenen Feuchtigkeiten erhalten. Eben diese Vibrationen der Lufft sollen eine sichere und nützlichere Art der Elecktrisirung verursachen, welches eine doppelte Erfahrung bestätigen soll. Er verband einem Tauben die Augen und einem Blinden die Ohren, und stellete sie an die Thüre eines Orchesters. Der eine empfand sogleich eine unaussprechliche Bewegung und der andere machte zwo Stunden lang, die lebhaftesten und widerwärtigsten Bewegungen.
4.  Nouvelle Decouverte du principe de l‘Harmonie avec un examen de ce que Ms. Rameau a publié sous le titre de demonstration de ce principe. Par Ms. Etìeve, de la societé Royale de Montpelier. 8. 54. Seiten zu Paris. 1751. In der einen Helfte widerleget der Verfasser den Rameau, in der andern Helffte, handelt er von seiner Entdeckung, welche in dem Journal von Trevoux im Junio 1751. p. 1369. im Auszuge angezeiget worden. Das Buch soll gründlich seyn und Neuigkeiten enthalten. Und weil die Musik die Neigung wohlgemachter Seelen ist, so meinen die Verfasser, die Leser werden dabey nicht gleichgültig seyn. In den Schrifften der Academie von Montpellier findet man noch mehr dergleichen Abhandlungen, die von dieser Materie neu und gründlich sind.
5.  In dem Siecle litteraire de Louis XV. ou lettres sur les hommes celebres, I. p. findet man hintanglichen Unterricht vom dem heutigen Flor der Musik unter der Franzosen und ihren Künstlern, wie die Leipz. gelehrte Zeitungen dieses Jahrs 1754. num. 27, mit mehrern angeben.
6.  In Frankreich hat sich ohnlängst ein Streit zwischen den Liebhabern des Italienischen und den Liebhabern des Französischen Geschmaks in der Musik erhoben, und werden von beyden Seiten eifrige Schrifften ans Licht gestellet.
Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Bd4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/184&oldid=- (Version vom 28.1.2024)