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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754

Rede der Musik.

Vor allen Dingen, ihr Richter! ersuche ich euch, euer Urtheil nicht nach meinem Vortrage einzurichten; da es bis auf den heutigen Tag etwas unerhörtes ist, daß sich die Musik unterfangen hat, in gerichtlicher Kleidung zu erscheinen und die Kunstgriffe der Redner zu entlehnen, mit denen sie niemals eine Bekantschaft gemacht hat.[1] Ausser dem würde ich in viel schlimmern Umständen stehen, als meine Gegner. Denn da es die Maler gewohnt sind, den schlechtesten Gesichterndurch glänzende Farben, Anstrich, Vorzug, und Schönheit zu geben; So liegt es bereits am Tage, daß ihre Kunst mehr durch die Schminke schöner Worte, als durch gründliche Beweise begleitet, hervorgetreten ist. Von den Poeten hat man ohnedem prächtige, schmeichelnde, großprahlerische und vielfüßigte Wörter zu gewarten, die mir bey andern Richtern, welche nicht selbsten Vernunft und Wahrheit wären, gewiß wenig prophezeyen würden. und wenn ich gleich nichts so sehr, als richtig abgemessene und zusammenstimmende Töne liebe; so fehlet mir

  1. Zu unsern Zeiten fänget man glücklich an, die Regeln der Redner mit Vortheil in der Musik zu gebrauchen, und ich habe im vorhergehenden Theile gewiesen, daß die allermeisten Regeln, so Horaz von der Poesie gegeben, sich mit großen Nutzen auf die Musik anwenden lassen.
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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/4&oldid=- (Version vom 6.1.2024)