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Seite:Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften Gemäldeausstellung Dresden 1767.djvu/9

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und im Giebelfelde ist, statt des Schildes, ein Ovalfenster angebracht. Das Vorzüglichste aber dieses Hauses besteht in einem großen Portale mit zwo freystehenden toscanischen Säulen, die einen Austritt vor dem mittelsten großen Bogenfenster unterstützen, am Fuße dieser Ordnung steht das einzige Wort: ARTI.

Gleich diesem schönen Risse gegen über war das Gemälde des Hrn. Oesers, dem Gemälde des Hrn. Hütin entgegen gestellt. Des letztern Kunstwerk zeigte einen jungen Zeichner, der bey der Lampe, welche ein fliegender Genius der Künste ihm hält, nach einer Statue zeichnet. Darunter waren ein paar kleinere Gemälde, auf deren einem eine Aufwärterinn in der Stellung vorgebildet war, als ob sie jemand mit ins Zimmer zu gehen nöthiget: auf dem andern eine Strickerinn. Von dem Oeserischen Gemälde will ich nur den Gegenstand berühren: Der in einen Kriegsknecht verkleidete, doch nach seiner langen Gestalt vorgestellte König Saul, liegt, über sein Schicksal, das er von dem Schatten Samuels vernommen hatte, erschrocken, auf dem tiefern Vorgrunde zu Boden: der nächste Kriegsknecht will ihm aufhelfen, immittelst leuchtet die Zauberinn, nicht weniger bestürzt, auf den gefallenen Saul mit der Fackel hinab. Bey dem lichte dieser Fackel entdecket man ihr jugendliches Gesicht und zugleich den Unmuth und den Zorn des andern Kriegsknechts, der sie drohend ergreift[1]. Doch ich darf mich nicht zu lange bey

  1. Da der Hr. von Hagedorn am Ende seiner Betrachtungen über die Malerey eine Beschreibung eines Gemäldes eben dieses Innhalts vom Hrn. de Marcenay Deghui eingerücket, so wird es vielleicht Kennern, die die Oeserische Idee dagegen halten möchten, nicht unangenehm seyn, wenn wir ihnen hier eine vollständigere Vorstellung des obangeführten Gemäldes vorlegen. Der vom Herrn verlassene Saul, welcher zu Endor das Weib, die einen Wahrsagergeist hatte, um Rath fragt. Der Vorgang ist in ihrer finstern Wohnung, wo ihm Samuel sein trauriges Urtheil sprach. Der Geist ist verschwunden, nach dessen Rede Saul zur Erde fiel so lang er war; und die Wahrsagerinn tritt mit seinen Begleitern herzu, ihm beyzuspringen. Verwundernd und zagend steht sie zur Rechten auf den Stufen, über welche der König herabgefallen zu seyn scheint. Sie ist, wider die Gewohnheit der meisten, wohlgebildet. Eine streifigte Binde ziert ihr jugendliches Haupt, ein Band, woran ein Edelgestein glänzt, ist der Schmuck ihrer Stirne, und ein aufgelöster breiter Zaubergürtel, mit magischen Charaktern bezeichnet, fließt von ihrer rechten Schulter weit um ihren Rock her. Ihre Linke hebt sie erschrocken auf, blickt ängstlich nieder, auf den vor ihr hingeworfnen Saul, und hält ihn genau zu betrachten, mit der Rechten eine brennende Fackel in die Höhe; deren breite Flamme erhellet die Gegenstände, und die steinern Wände des engen Zimmers stärken die Beleuchtung durch ihren Wiederschein. Neben ihr steht einer der königlichen Vertrauten. Seine Miene ist Schrecken und Zorn. Er droht ihr mit geballter Faust, indem er mit der andern auf seinen Herrn zeigt, und sie, wegen des ihm begegneten Unfalls, zur Rede zu setzen scheint. Der andere greift dem König unter die Arme, ihn aufzurichten, der zur Linken beyde Ellebogen von sich streckt, die Hände auf dem Haupte über einander breitet, und das Angesicht verdeckt. Seine Gestalt unterscheidet ihn, der eines Haupts länger war, denn alles Volk, von den andern Kriegern, denen er sich durch die gewechselten Kleider gleich machte. Zur Linken des Vorgrunds stehet ein irrdenes Gefäß mit Kohlen, deren Glut die beschatteten Partien der liegenden und gebückten Figur aufklärt. Hinten steht das Ruhebette, auf welches er, nachdem er von der Erde aufgestanden, war, sich zu seiner Erholung niederließ, und ein paar Todtenköpfe liegen oben im Bogen der verhangnen Niesche, das Gemälde vier Fuß neun Zoll hoch, drey Fuß sechs Zoll breit.