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Friedrich Nietzsche: Nietzsche's Werke, Band VIII

Nur Narr! Nur Dichter!

Bei abgehellter Luft,
wenn schon des Thau’s Tröstung
zur Erde niederquillt,
unsichtbar, auch ungehört

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— denn zartes Schuhwerk trägt

der Tröster Thau gleich allen Trostmilden —
gedenkst du da, gedenkst du, heisses Herz,
wie einst du durstetest,
nach himmlischen Thränen und Thaugeträufel

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versengt und müde durstetest,

dieweil auf gelben Graspfaden
boshaft abendliche Sonnenblicke
durch schwarze Bäume um dich liefen
blendende Sonnen-Gluthblicke, schadenfrohe.

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„Der Wahrheit Freier — du? so höhnten sie —

nein! nur ein Dichter!
ein Thier, ein listiges, raubendes, schleichendes,
das lügen muss,
das wissentlich, willentlich lügen muss,

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nach Beute lüstern,

bunt verlarvt,
sich selbst zur Larve,
sich selbst zur Beute,
das — der Wahrheit Freier? …

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Nietzsche: Nietzsche's Werke, Band VIII. C.G. Naumann, Leipzig 1906, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nietzsche%27s_Werke,_VIII.djvu/422&oldid=- (Version vom 1.8.2018)