Seite:OABrackenheim0072.jpg

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städtischen Gemeinden, wo es aber ohne nebenhergehenden Grundbesitz keine rechte Lebensfähigkeit besitzt. – In dieses, manche landschaftliche Schönheiten zeigende, Stück Erde theilt sich eine Bevölkerung von (1871 gezählten) 23.604 Ortsanwesenden, welche 30 Gemeinden, wenige Ausnahmen abgerechnet, gleichzeitig geschlossene Ortschaften bilden, worunter vier städtische, welche jedoch nur in einer einzigen (Schwaigern) 2000 Seelen zählen. Namentlich im Zaberthale liegen die Ortschaften nahe beisammen. Nebstdem, daß das Waldareal überhaupt ein sehr bedeutendes ist, läßt schon ein Blick auf die zahlreichen, oft nahe an einander gereihten Ortschaften eine nothwendig gewordene, starke Parzellirung des für andere Kulturen disponiblen Grunds und Bodens erwarten, wozu noch kommt, daß auch der Großgrundbesitz im Bezirke, seine Vertretung findet (so in Neipperg, Stockheim, Schwaigern, Massenbach, Nordheim, Magenheim, Ochsenbach).

Eine Bevölkerung mit so wenig bestimmt ausgeprägter oder exklusiver Beschäftigung, welche heute hinter dem Pfluge hergeht, morgen mit dem Karst am steilen Berghang die Reben hackt, ein andermal im Walde Holz fällt oder aber mit dem Kleingewerbe sich abgibt u. s. w., kann keine typischen Formen zeigen: große und kleine Leute kommen da vor, Breitschultrige und Schmächtige gehen da neben einander her im nämlichen Orte: Hünengestalten aber wachsen vorweg hier nicht, und wenn auch da und dort Einer um eines Hauptes Länge Andere überragt, so fehlen häufig die richtigen Proportionen. Statur, Schädel- und Gesichtsbildung der Bewohner des Bezirks zeigen große Manchfaltigkeit, überall begegnet man sehr verschiedenen körperlichen Verhältnissen, zwischen deren extremer Gestaltung alle möglichen Übergänge und Zwischenformen noch häufiger vorkommen. Daß indeß die Bewohner des am weitesten nach Norden reichenden Zipfels des Bezirks, von Massenbach und Hausen b./M., Franken sind nach ihrem Dialekte, tritt sehr stark hervor, während in dem südlich angrenzenden Leinbachthale, in Schwaigern, Stethen, Niederhofen und Kleingartach, schon ganz das abgeschliffene, verwaschene Unterländer-Schwäbisch herrscht, wie überhaupt sonst im Bezirke. Es bleibt schließlich nur zu constatiren, daß dem Bevölkerungsdurchschnitt das Prädikat eines Mittelschlags zuzuerkennen ist, das wieder nach den verschiedenen Ortschaften Schwankungen und Modifikationen erleidet, indem die körperlichen Verhältnisse sich bald über, bald unter dem allgemeinen Durchschnitt bewegen.

Nur noch zwei bestimmter differenzirte, freilich kleine Gruppen heben sich von diesem verwaschenen Bilde nachweislich ab. Das sind die wenigen nur in drei Gemeinden (Zaberfeld, Massenbach und Hausen b./M.) repräsentirten Israeliten, sowie die von Waldensern abstammenden Bewohner des kleinen Nordhausen, bei welchen die bekannten Stammesunterschiede (auf welche hier nicht näher eingegangen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0072.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)