Seite:OAMarbach0194.jpg

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einem schönen Netzgewölbe gedeckt, dessen scharf profilirten Gurten von Konsolen ausgehen, auf welchen die 4 Kirchenväter, wie auch das Württembergische und das Stadtwappen dargestellt sind. Die Gewölbeschlußsteine enthalten Bildwerke des h. Martins, der Mutter Gottes mit dem Kinde u. s. w. Im Chor ist auch ein 3/4 lebensgroßes, vortrefflich aus Holz geschnittenes Krucifix aufbewahrt, das lange Zeit unbeachtet auf der Kirchenbühne lag und erst im Jahr 1856 wieder von Künstlerhand gut erneuert wurde. Von den auf dem Thurme hängenden 3 Glocken ist die größte von Heinrich Kurtz in Stuttgart 1856, die mittlere von Neubert in Ludwigsburg 1782, und die kleinste von Georg Lehner in Stuttgart 1696 gegossen worden. Die Unterhaltung der Kirche liegt der Stiftungspflege ob. Die Kirche ist von dem ehemaligen Begräbnißplatz umgeben, der an der Westseite der Kirche mit Linden und Kastanienbäumen bepflanzt wurde und nun als Turnplatz dient.

An der Kirche stehen ein Stadtpfarrer und ein Helfer; der erste evangel. Stadtpfarrer war vor dem Interim M. Peter 1525 und nach dem Interim Joh. Gayling 1552–59, welcher ein Schüler Luthers und ein eifriger Verbreiter der evangelischen Lehre war.

Eine weitere Kirche, die in der Altstadt gelegene Allerheiligen-Kirche, wurde 1832 zur Schule eingerichtet; sie ist ein stattliches Gebäude mit Thürmchen und Uhr auf dem First und enthält nun 4 geräumige Lehrzimmer. Die an der Schule angestellten Lehrer, 2 Schulmeister und 2 Unterlehrer, wohnen in Privathäusern gegen Mietheentschädigung von Seiten der Stadt.

Der ansehnliche Begräbnißplatz liegt außerhalb (westlich) der Stadt an der Straße nach Winzerhausen; auf demselben stand die St. Maria oder Liebfrauenkirche, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts abgieng. In dieser Kirche befand sich ein nun spurlos verschwundener Grabstein der angeblichen Stifterin dieser Kirche mit der Umschrift: Anno domini nongentesimo Sexto VIII. Idus Septembris obiit Detta nobilis matrona de Howenstauffen cujus anima requiescat in pace. Bei dieser Jahrszahl mußte aber jedenfalls ein Irrthum unterlaufen und die Form Howenstauffen weist auf viel spätere Zeit des Mittelalters.

An der östlichen Stadtmauer stehen das Stadtpfarrei- und das Helferathaus, welche beide in gutem Zustande sich befinden und Eigenthum des Staats sind.

Das lateinische Schulhaus enthält 2 Lehrzimmer und die Wohnung des Präceptors.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0194.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)