Seite:OAMarbach0314.jpg

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stand die Kirche zum heil. Michael, deren Glocke, die „Anna Susanna“ genannt, nach der Sage durch ihren Klang die Gewitter abhielt und zu der häufig gewallfahrtet wurde; sie war nicht allein Schloßkirche sondern auch Pfarrkirche von Winzerhausen, und in ihrer Nähe lag auf einer kleinen Ebene der Begräbnißplatz, welcher bis 1737 benützt wurde und auf dem noch vor etwa 80 Jahren ein kleines Beinhaus stand. Die Kirche ist abgegangen und nur ein 25′ hoher Rest des ehemaligen Kirchthurms hat sich bis auf den heutigen Tag noch erhalten, aber auch diesem fehlt von den 4 Seiten die westliche gänzlich. Dieser Thurmrumpf wurde im Jahr 1829 mittelst freiwilliger Beiträge besteigbar gemacht und mit einer Altane, zu welcher eine im Jahr 1841 erneuerte, jetzt aber wieder schadhaft gewordene Treppe führt, versehen. Hier erschließt sich dem Auge eine herrliche Rundsicht, gegen Osten und Südosten schweift der Blick an den wohlgeformten, mit dem Wunnenstein verbrüderten Vorbergen, Forstberg und Kochersberg vorüber in das reizende, durch stattliche Ortschaften belebte Bottwarthal, hinter dem sich die waldreichen Löwensteiner Berge erheben, deren mit Reben bepflanzte Ausläufer und Vorberge mit stattlichen Burgen (Lichtenberg, Langhans und Helfenberg) geziert sind und ernst zu der ehemaligen Veste Wunnenstein herüber blicken. Im fernen Hintergrunde erscheint der Steilabfall der schwäbischen Alb mit dem St. Bernhardt, dem Stuiffen, Rechberg, Staufen etc. und mehr in der Richtung gegen Süden die Teck, der Hohe-Neuffen etc. Gegen Süden und Südwesten erblickt man über ein fruchtbares mit stattlichen Ortschaften besetztes Flachland und über das Neckarthal hinweg Ludwigsburg und den Asperg mit ihren Umgegenden, im Hintergrunde die Berge bei Stuttgart, und den Schönbuch. Gegen Westen und Nordwesten treten die stattlichen, das fruchtbare Zabergäu umschließenden Höhenzüge, der Stromberg und der Heuchelberg kräftig in die Aussicht herein; im Hintergrund erheben sich die Höhen des Schwarzwaldes, insbesondere der Dobel und bei heller Witterung sind sogar hinter dem Stromberg die fernblauen Vogesen noch sichtbar; über den Heuchelberg hinweg ragen die Thürme des Schlosses Weiler zum Stein im Badischen hervor. Gegen Norden bildet der Odenwald, mit dem freistehenden Katzenbuckel und den Bergen bei Heidelberg (Königsstuhl und Hundsruck) die äußerste Gesichtsgrenze. Die Stelle, auf der die Kirche stand, heißt das Vorderköpfle und ist rings mit Graben und Wall umgeben; unter dem Vorderköpfle in der Richtung gegen Osten liegt das Mittelköpfle, auf dem die eigentliche, 1413 zerstörte und später

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0314.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)