Seite:OAStuttgartStadt0112.png

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Gärten und Weinberge führende Wilhelmssteige, auch neue Weinsteige genannt, ist namentlich geeignet, die reizende Lage Stuttgarts zu beobachten. Schon vor der zweiten Wendung derselben erblickt man die Stadt in ihrer ganzen Ausdehnung von Gärten und sanften Rebhügeln rings umschlossen; je höher man darauf fortwandelt, desto mehr öffnet sich die Aussicht in das weite Neckarthal mit den königlichen Schlössern, Villen und Ortschaften, desto mehr erheben sich auch im fernen Horizonte die Berge um Korb, die Murrhardter- und Löwensteiner Berge mit Lichtenberg und den isolirten Bergkuppen des Wunnensteins und des Lembergs, bis endlich auf höchster Höhe angekommen, noch über die nordwestliche Bergreihe der Feuerbacher Heide hinweg, der Asberg und der Stromberg in unseren Gesichtskreis tritt. Viele Standpunkte zu den mannichfaltigsten Ansichten der Stadt und der reichen Vegetation ihrer Umgebung gewähren auch die schon oben (S. 3.) genannten Hügelzüge, welche das von dem Nesenbach karg bewässerte Thal umgrenzen, auf dessen fruchtbarem, 1500 Schritte breiten Grunde, 3/4 Stunden vom Neckar entfernt, die Stadt sich ausbreitet. Der Anmuth seiner Lage wegen nannte man nach Ulrichs v. Hutten Zeugniß im 16. Jahrhundert Stuttgart das Paradies der Erde, indeß es vor 120 Jahren mit einem edlen Stein in kostbarem Ringe verglichen ward. Diese eingeschlossene Lage der Stadt erklärt es übrigens, daß dieselbe von den Land-Straßen her erst in einer Entfernung von 1/2 Stunde sichtbar wird und nur die Bewohner höher liegender Stadttheile die Bergreihen jenseits des Neckar-Thales erblicken; sie läßt aber auch keinen Zweifel übrig, daß bei Auswahl des dem belebenden Fluß entfernteren Platzes die Rücksichten auf den Verkehr nicht entschieden hatten, und der Ort kaum zu einem Landstädtchen erwachsen wäre, wenn er nicht frühe schon die Bestimmung eines Fürstensitzes erhalten hätte, dem er fast Alles, was er geworden, zu danken hat. Zu bedauern ist, daß in den Umgebungen der Stadt die den Reiz einer schönen Landschaft anderwärts noch mehr erhöhenden Landhäuser, wozu die Natur hier gleichsam einladet, noch selten sind. Von den wenigen vorhandenen Landhäusern sind es besonders der Rebenberg an der Galgensteig, die Felgersburg am Bopser, die Weissenburg und die Silberburg, welche das Bild der städtischen Umgebung verschönern. Mit den umgebenden Gärten in Verbindung sind die nach allen Seiten hin sich ausbreitenden neuen äußeren Stadttheile, Fabrik-Anlagen und Wohnungen der Mittel-Classen, auf diese folgen die näher um die Residenz gruppirten neueren Theile, wo meist die reicheren und höheren Classen wohnen, sowie die früheren Vorstädte, und hierauf die tiefer liegende alte

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0112.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)