Seite:OAStuttgartStadt0133.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und es ist bei dem Eingang in die untere Heusteige noch jetzt ein 1518 von Hans Hack gestiftetes, den Weg auf Golgatha darstellendes Steinbild zu sehen, wo der arme Sünder die erste Andacht auf seinem letzten Wege zu verrichten pflegte. – Die andere Vorstadt, „der Turnieracker“, oder obere, auch reiche Vorstadt genannt, schloß sich nördlich an die alte Stadt an. Noch ehe sie angelegt worden, stand hier eine schon 1391 erwähnte Liebfrauen-Capelle; und auf dem Ackerfelde, welches sich um sie ausbreitete, wurden berühmte Turniere gehalten: namentlich im December 1361 von Graf Eberhard dem Greiner, im October 1436 von Graf Ludwig I. mit 29 Grafen und 316 Freiherrn und Adeligen, und im Januar 1484 von Graf Eberhard im Bart mit mehreren Fürsten, 22 Grafen und Freiherren, und 250 Adeligen. Aus welcher Zeit das am nördlichen Ende gelegene „Bollwerk“ stammt und von welcher Beschaffenheit es war, läßt sich nicht mehr ermitteln. Häuser und einige Straßen auf dem Turnier-Platz werden 1451 erstmals erwähnt; den Bau-Plan aber, nach welchem die Vorstadt der Schnur nach angelegt und in 12 Schritte breite und 500 Schritte lange Quer- und Kreuz-Gassen eingetheilt wurde, hat Graf Eberhard im Bart gegeben; er ist also nicht älter als vom Jahr 1483. Wie in der Eßlinger Vorstadt, so wohnten auch hier lange Zeit fast nur Leute niederen Standes (1563 „arme Tropfen“); schon um 1615 aber fand man in der Turnier-Ackervorstadt „die lustigsten Straßen, schönsten Häuser und reichsten Leute“, und sie hieß nun auch „die reiche Vorstadt“. Gleichwohl lag in der jetzigen Calwer-Straße noch bis 1717 die städtische Ziegelhütte, und waren noch viele Straßen mit Gärten begrenzt. Von namhafteren Gebäuden sind zu erwähnen: das von dem Amte zu Aufbewahrung seiner Wehr und Waffen 1492 erbaute Landhaus, welches 1527 an die Stadt, 1545 an den Hospital gelangte und 1728 an die reformirte Gemeinde verkauft wurde, die im Erdgeschoß ihre Kirche einrichtete und 1805 das Haus, unter Vorbehalt der letzteren, an einen Privaten veräußerte. In demselben soll sich der Reformator J. Brenz eine Zeit lang vor seinen Feinden verborgen und sich durch ein ab- und zugehendes Huhn, das täglich ein Ei legte, vor dem Hungertode geschützt haben. Nicht ferne davon lag der 1604 angelegte, erst 1804 eingegangene mittlere Kirchhof. Das 1569 erbaute städtische Schützenhaus am Büchsenthore wurde 1748 in eine Husaren-Kaserne für 130 Pferde eingerichtet, diente später den Zwecken der Tabaksregie und ist jetzt Sitz des K. statistisch-topographischen Büreau und der K. lithographischen Anstalt; wogegen das Schießhaus in den Zwinger oberhalb des

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0133.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)