Seite:OberamtEllwangen 164.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Landbevölkerung streng katholisch, weshalb die Sonn- und Feiertage sehr pünktlich eingehalten werden, was auch der fleißige Kirchenbesuch an diesen Tagen bekundet. Die Neugeborenen werden, wenn die Wöchnerin gesund ist, womöglich in den ersten drei Tagen getauft und wird der Name des Täuflings von dem Pathen bestimmt. Gebräuchlich ist dann, wenn es vermöglichere Leute sind, daß ein Taufschmaus gehalten wird, woran Verwandte und Freunde Antheil nehmen. Die Gevatterleute auf dem Lande, in der Stadt Pathen genannt, geben dem Täufling ein Angebinde von Geld und der Wöchnerin Zucker, Kaffee, Eiernudeln, Bisquit u. a. m. Bei katholischen Familien ist es Sitte, bevor die Wöchnerin wieder ausgeht, daß sie von einem Geistlichen ausgesegnet wird. Die Kinder der Stadtbewohner werden gewöhnlich, wenn die Eltern Vermögen haben, in höhere Lehranstalten geschickt, was auf dem Lande seltener vorkommt, denn dort wird der Stammhalter meistens Hofbauer. Auch ist es selten, daß ein Bauernsohn ein Handwerk erlernt. Diejenigen, die zum Militärdienst herbeigezogen werden, bekommen häufig andere Gesinnung und entziehen sich hierauf dem Bauernstand.

Bis der Bauer zur Eheschließung kommt, steht es oft mehrere Jahre an, bis er eine passende Frau gefunden hat, die für geeignet erscheint und natürlich hinlänglich Vermögen besitzen muß. Dieser Grundsatz dient zwar auch in der Stadt einigermaßen zur Richtschnur, doch wird dort zugleich mehr auf Stand, Bildung, gute Sitten etc. Bedacht genommen.

Kommt es dann auf dem Lande bei einem Sohne zur Heirat, so übergibt der Vater beziehungsweise die Eltern demselben das Gut um eine gewisse Kaufsumme und Ausgeding, bestehend in Kartoffeln, Kraut, Fleisch, Früchte etc. Die Braut bringt dann gewöhnlich baares Geld und die Einrichtung, was man Hausrat nennt, mit. Dieser Hausrat kommt meistens Samstag vor der Hochzeit auf einem gezierten Wagen an. Den Pferden sind im Schweif rothe Bänder eingeflochten, der Roßknecht ist in bäuerlichem Schmuck und hat an seinen Hut ein farbiges grelles Taschentuch gebunden, ja selbst seine Peitsche ist mit einem farbigen Band geziert. Die Braut wird von dem Bräutigam in einer bekränzten Chaise abgeholt und im Dorfe mit Pistolenschüssen empfangen. Abends wird dann gezecht und Freunde und Verwandte eingeladen, das heißt man die „Tischrucke“. Am Tage vor der Hochzeit kommt der Geistliche und segnet den ganzen Hausrat und die Kleider der Braut ein. An der Hochzeit wird nach der Trauung ein großes Mahl in einem Wirthshaus abgehalten. Der Zug zur und von der Kirche ist immer ein feierlicher. Die Brautleute werden von den Brautführern mit gezogenen Degen, welche mit Rosmarin und Bändern geziert sind, begleitet, worauf sich die Brautjungfern, Verwandte, Bekannte und die Eltern anschließen. Wenn sich der Zug dem Wirthshaus nähert, so wird die Hochzeitshymne geblasen. Im Wirthshaussaale angekommen, tanzen die Brautleute die 3 ersten Tänze (Ehestandswalzer) allein. Hierauf beginnt das Hochzeitsmahl. Während des Essens wird von der Musik gespielt. Nach dem Mahl wird getanzt und erscheinen nach und nach die Eingeladenen, welche den Brautleuten ihre Glückwünsche und Geschenke, bestehend in Geld oder auch in Haus- und Küchengeräthschaften etc. machen. Die mit den

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_164.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)