Seite:OberamtEllwangen 169.jpg

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mit Musik in das Haus der Brautleute und holen die dort aufbewahrten Kissen und Haipfel, ziehen (jede mit einem Kissen unter dem Arm) mit Musik und unter dem Jauchzen der sie begleitenden Brautführer in die Wirthschaft zurück, und schenken die Kissen dem Brautpaare. Sämtliche Kissen werden dann unter einem offenen Fenster so aufgeschichtet, daß sie vom unten gehenden und stehenden Publikum gesehen werden können. Nach der Zahl und Beschaffenheit dieser Kissen läßt sich Stand, Vermögen und Ansehen der Brautleute schätzen. Die Brautleute bleiben vom Beginn der Schenke an am (Hochzeits) Ehrentisch. Vor ihnen ist eine große Porzellanschüssel aufgestellt; diese ist bedeckt mit einem Teller, auf welchen die Geldgeschenke von 1–5 M. gelegt werden. Diese Geldschenke wird von den Hochzeitsgästen, welche beim Mahl schon anwesend waren, eröffnet. Diese schenken mindestens 5 M. Nachher kommen die eigentlichen Schenkgäste angefahren und gelaufen, und das Jungvolk, welch’ letzteres nach der Schenke auf den anstoßenden Tanzboden geht und tanzt. Die Musik theilt sich. Die einen spielen zum Tanz auf, die andern gehen von Tisch zu Tisch und blasen Volksweisen. Dieß heißt man: „Eineblosa“. Jede Tischgesellschaft singt nämlich den herantretenden Musikern irgend ein Lied, hauptsächlich Schnadahüpferl, vor. Die Musik fällt hierauf ein, und wiederholt das vorgesungene Lied. Währenddem werfen die Umsitzenden in den von den Musikanten aufgestellten Teller Geldstücke als Belohnung der Musiker. Braut und Bräutigam haben Freitänze d. h. wenn sie tanzen, müssen die andern Tanzenden „aushalten“. Fällt die Braut beim Tanz, so bedeutet dieß für ihre Zukunft Unglück.

Leichenfeier. Stirbt ein Erwachsener im Ort, so kommen – so lange die Leiche im Haus liegt – Abends die Nachbarsleute und Verwandten um beim Todten zu wachen und zu beten. Nebenbei wird Bier getrunken, auch gegessen und in den Pausen von allerlei geschwätzt, so daß es oft derart zugeht, daß man nicht von einer Sitte, sondern mehr von einer Unsitte berichten muß.

Nach der Beerdigung wird mit den auswärtigen Verwandten ein Leichentrunk gehalten, gewöhnlich im Wirthshaus. Für die erwachsenen Verstorbenen wird gewöhnlich ein Jahrtag oder auch ein sog. „Dreißiger“ gestiftet. (30 h. Messen). Während der kurz nach der Beerdigung statthabenden 3 Trauergottesdienste wird von sämtlichen Kirchenbesuchern durch Umgang um den Hochaltar geopfert (je 1 oder 2 Pf.) Über dieses Opfer verfügt der Pfarrer.

Außer den Familienfesten wären zu erwähnen:

Neujahr. In der Silvesternacht sind die Wirthschaften stärker und bis nach Mitternacht frequentirt. Die jungen Bursche schießen ihren Schätzlein das Neujahr an. Fastnacht. Es kommen bisweilen öffentl. Faschingsscherze vor. Die jungen Bauernbursche von Röhlingen haben sich schon öfters zu Wagen und zu Pferd an den großen öffentlichen kostümirten Fastnachtsaufzügen von Ellwangen zahlreich betheiligt. Maienfeste. Hin und wieder wird im einen oder andern Ort der Schultheißereigemeinde ein sog. Maibaum errichtet. Dabei wird getrunken und getanzt. Dieser Maibaum gilt als äußeres Zeichen von der Einigkeit die im Ort herrscht. Kappelkirchweih (Kappelkirbe) findet Anfangs August jeden Jahres statt. Über den Ursprung dieses Festes, welches sehr alt ist und immer an einem Sonntag

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_169.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)