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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

Rasputin verstand es eben, wie selten ein Mann, voll Feuer hinzureißen.

Sein Spruch: „Das Weib ist zum Vergnügen des Mannes und zur Schaffung seines Ruhmes da“, ist ein geflügeltes Wort geworden.

Die frommen Leute wieder erzählten über die Inbrunst seines Gebetes Erstaunliches.

War sein Gebet auch einfach, ja im Wort geradezu kulturlos, so war es doch hinreißend begeisternd und leidenschaftlich, so verzückt, als schaue er dabei wahrhaft das Antlitz Gottes.

Das nervöse Zucken seiner Schultern und Hände, die Urlaute seiner Stimme, die krampfartigen, aus flehender Qual sich steigernden Bewegungen der Mienen, die Tränen im Feuer seiner Augen, alles das zusammen machte auf die frommen, mystisch veranlagten Andachtsteilnehmer einen geradezu erschütternden Eindruck.

Das dumpfe Drohen seiner gewaltigen Stimme machte zutiefst die Seelen seiner Frömmlinge erbeben und es war für seine Frauengefolgschaft geradezu ein herzzerreißender Anblick, wenn er vor den Heiligenbildern in die Knie fiel, seine Arme ausstreckte und fast gebietend zu beten begann:

„Wende Deine Augen zu uns, o Gott, gib uns ein Zeichen, auf daß wir wissen, daß Du uns erhörst.“

Und den Betenden um ihn herum, die alle wie im Fieber waren, schien es dann wirklich, als schauten die Abbildungen der Heiligen lebendig und sich bewegend auf sie nieder.

Der Maler Rajewski erzählte auch, daß einmal während einer Porträtsitzung ein sehr bekannter Aristokrat mit seinem Auto bei Rasputin vorgefahren kam, vor dem „Mann Gottes“ in die Knie fiel und flehte:

„Väterchen, komme, hilf uns, mein Bruder liegt im Sterben.“

Sofort aufspringend, ohne Pelz und Mütze zu nehmen, stürmte er die Treppen hinab, immer vor sich hinflüsternd:

„O mein Gott, o mein Schöpfer, laß mich noch zur Zeit kommen.“

Im Palais findet Rasputin einen schon alten Mann, der von schweren asthmatischen Anfällen bedroht und durch Herzschwäche dem Ende nahegebracht ist.

Der Kranke liegt ohne Bewußtsein da.

Empfohlene Zitierweise:
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/135&oldid=- (Version vom 15.9.2022)