Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens | |
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sich in dem Gouvernement Pskow und am Schwarzen Meere zugetragen haben.
Das Pskower Gouvernement war von starken Regengüssen heimgesucht.
Riesenhafte Wald- und Wiesenbestände hatten sich in Seen verwandelt, die mit den umliegenden Teichen und Sümpfen sich zu einem kleinen Ozean zusammenfanden.
Alle Flüsse waren aus den Ufern getreten, die Frucht und Ernte völlig vernichtet und die Dörfer selbst vollends abgeschnitten von jeder Hilfe und jedem Verkehr.
Das Gespenst des Hungers stieg auf, schrecklich und riesenhaft.
Die Andachten in den Dorfkirchen linderten die Not nicht.
Weiter strömte der Regen Tag für Tag.
Da fing ein seltsames Reden von Mund zu Mund zu gehen an und wollte nimmer zur Ruhe kommen.
„Die alten Götter sind es, die uns grollen“, ging es angstzitternd von Hütte zu Hütte, „sie vernichten uns, weil wir uns von ihnen abgewandt.
Die Götter müssen versöhnt werden.“
In den Hütten finden geheimnisvolle Versammlungen statt, Ungewöhnliches beginnt sich vorzubereiten.
Der August ist im Anfang.
Unaufhaltsam steigt die Flut.
Die alten Götter will man suchen.
Im Dunkel des Abends ziehen in Scharen die alten Frauen und Männer der Dörfer den schlammigen Fluß hinab, dem Walde zu, der auf leichter Anhöhe steht.
Der Einladung meines Wirtes, eines alten Dorfschulzen, folgend, ziehe ich mit.
Der Regen fällt unaufhörlich nieder, es ist, als wollten Ströme warmen Wassers alles herum mit fortschwemmen.
Endlich sind wir am Ziele, bis auf die Haut durchnäßt.
An einem Ort von ungewöhnlichem Aussehen erwartet uns, in weißes Leinen eingehüllt, ein alter Bauer.
Auf dem Platze einer kleinen Waldwiese, von hohen Fichten eingeschlossen, steht ein mächtig großer, verfaulender Baumstamm, neben dem ein schwarzer, verwitterter, bemooster Stein liegt.
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/62&oldid=- (Version vom 15.9.2022)