Seite:Otto Herodes.djvu/036

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können (bell. Iud. I 310–313; ant. Iud. XIV 421–430). Im Anschluß an diesen Erfolg hat er den Versuch gewagt, allein gegen Antigonos offensiv vorzugehen, mußte jedoch, da sich Galiläa in seinem Rücken sofort wieder erhob, dorthin zurückkehren (bell. Iud. I 314–316; ant. Iud. XIV 431–433). Von neuem ist er erst wieder vorgerückt, als neue römische Truppen ihm zu Hilfe gesandt wurden. Silo war nämlich zu Anfang des J. 38 v. Chr. infolge der neu drohenden Parthergefahr abberufen worden; da diese aber von Ventidius sehr schnell beseitigt worden war, konnte dieser auf Befehl des Antonius ein neues Hilfskorps unter Machairas an H. abgeben (über H. und Machairas: bell. Iud. I 317–320; ant. Iud. XIV 434–438). Man ist wieder [RE:29] bis nach Judäa vorgedrungen (bell. Iud. I 319; ant. Iud. XIV 436); aber man hat hier auch diesmal nichts erreicht, jedoch anscheinend nicht infolge Bestechung des römischen Feldherrn durch Antigonos (an sie glauben z. B. de Saulcy 98. Hitzig II 528), sondern infolge eines Zwistes zwischen jenem und H. – der Zwist die Folge einer verunglückten Expedition des Machairas gegen Jerusalem und Räubereien desselben im Anschluß an sie (ant. Iud. XIV 435 spricht freilich von Bestechung; diese wird aber bell. Iud. I 318 ausdrücklich in Abrede gestellt, auch spricht das Verhalten des Antigonos gegenüber Machairas bei seiner Expedition, sowie das Belassen des Machairas auf seinem Posten für den Schlußfeldzug gegen Bestechung[1].

H. mußte erkennen, daß er auf dem bisherigen Wege nicht recht vorwärts kam, daß vielmehr nur tatkräftige römische Hilfe ihm den Thron verschaffen könne, da seine eigene Macht hierzu bei weitem nicht ausreichte; sein Anhang im jüdischen Volke war trotz allem viel zu geringfügig. So entschloß er sich, persönlich seinen alten Gönner Antonius, der 38 v.Chr. endlich wieder nach Vorderasien gekommen war und gerade vor Samosata am Euphrat lag, um neue Unterstützung zu bitten (für H. und Antonius s. bell. Iud. I 320–322. 327; ant. Iud. XIV 439–447). Auf dem Marsche nach Samosata hatte er Gelegenheit, seine Tapferkeit und sein militärisches Geschick in einem Durchbruchsgefecht gegen die das römische Belagerungsheer beunruhigenden Kommagener zu zeigen; Antonius nahm ihn darob besonders gnädig auf und beauftragte schließlich den neuen Statthalter Syriens, C. Sosius, H. aufs energischste zu unterstützen.

Dieser günstige Ausgang der Reise war für H. ein besonderes Glück, da sich inzwischen in [32] der Heimat die Situation für ihn recht ungünstig gestaltet hatte. Sein Bruder Joseph, den er als Oberbefehlshaber zurückgelassen hatte, war nämlich bei Jericho von Antigonos geschlagen worden und selbst im Kampfe gefallen. Das kaum gewonnene Galiläa hatte sich daraufhin von neuem erhoben, und selbst in Idumäa begann es zu gären (bell. Iud. I 323–326; ant. Iud. XIV 448–450. In § 450 wird anders wie im bellum nicht von Gärungen gegen H. in Idumäa, sondern in Judäa berichtet, doch geschieht dies zu Unrecht Hitzig II 529 urteilt hier nicht richtig; es handelt sich bei der Angabe der antiquitates wohl um eine Textverderbnis, da Judäa bisher noch gar nicht H. gehört hatte; vgl. auch bell. Iud. I 303, wo das ‚νεωτερίζειν‘ für Idumäa befürchtet wird).

H. ist auf die Kunde von diesen Unglücksfällen [RE:30] eilends zurückgekehrt. Es war für ihn ein Glück, daß ihm für seine neuen Operationen (über diese, soweit sie im J. 38 v. Chr. stattfanden, bell. Iud. I 328–342; ant. Iud. XIV 451–464) sofort zwei römische Legionen zur Verfügung standen; auch Machairas hat weiter mit ihm zusammenoperiert (bell. Iud. I 334; ant. Iud. XIV 457). So ist Galiläa schnell wiedergewonnen worden. Auch der Einbruch in Judäa scheint ohne weiteres geglückt zu sein. Hier ist H. bei einem Überfall auf seine Vorhut in der Nähe von Jericho, bei dem man es vornehmlich auf seine Person abgesehen zu haben scheint (ant. Iud. XIV 456: Kampf gegen ,τοὺς περὶ τὸν βασιλέα‘), verwundet worden. Antigonos hat darauf durch seinen Feldherrn Pappos eine Diversion auf die Rückzugslinien des H., auf Samaria hin, ausführen lassen, um H. von Judäa, wo dieser diesmal furchtbar hauste, abzuziehen und so zugleich Abfallsgelüsten, die sich im Volke geltend zu machen begannen (s. auch bell. Iud. I 351. 358; ant. Iud. XIV 479. XV 2), vorzubeugen. Durch Machairas ist jedoch Pappos in seinem Vordringen aufgehalten worden. H. ist dann herbeigeeilt; bei dem Orte Isana und um den Besitz der Ortschaft (bell. Iud. I 334 gibt wohl fälschlich Kana) ist es zu der Entscheidungsschlacht des Krieges gekommen, in der H. nach schwerem, sehr blutigem Kampfe einen vollständigen Sieg errang.[2]

Dieser Sieg hat seine Herrschaft über das jüdische Land endgültig gesichert; nur noch die Hauptstadt Jerusalem blieb zu bezwingen. Inzwischen war aber der Winter 38/7 v. Chr. herangekommen, und so konnte sich, zumal er sehr streng war, die Belagerung Jerusalems nicht sofort dem Siege anschließen. Sobald es jedoch die Jahreszeit erlaubte, d. h. wohl schon im


  1. Vergleicht man bell. Iud. I 318f. mit ant. Iud. XIV 435f., so zeigt sich deutlich die Zusammenschweißung zweier einander widerstreitender Quellen in den antiquitates, ohne daß Josephus einen Versuch der Ausgleichung gemacht hätte. Im bellum warnt nämlich H. den nicht bestochenen Machairas vor seiner Expedition; in den antiquitates, wo Machairas der Bestechung unterliegt und die Expedition nur zum Schein ausführt, ist auch dementsprechend von keiner Warnung die Rede, trotzdem fährt jedoch Josephus im § 436 so fort, als ob er vorher die Warnung erzählt hätte.
  2. Im Anschluß an den Sieg findet sich bei Joseph. bell. Iud. I 340f.; ant. Iud. XIV 462f. (in dem einzelnen von einander abweichend, es liegen zwei Versionen vor) ein Histörchen über die wunderbare Errettung des H. am Abend des Schlachttages aus der Gewalt der Feinde, in die er sich unvermutet selbst begeben hat, eine Geschichte, die ihre vollständige Parallele in der Erzählung von den Vorgängen nach der Schlacht bei Leuthen – der bekannten unerwarteten Begegnung Friedrichs des Großen im Schlosse von Deutsch-Lissa mit österreichischen Offizieren – hat.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/036&oldid=- (Version vom 1.8.2018)