Seite:Otto Herodes.djvu/085

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äußere Stellung wurde hierdurch empfindlich erschüttert; beruhte sie doch bei der Unmöglichkeit einer eigenen äußeren Politik zum größten Teile auf dem kaiserlichen Wohlwollen. Die immer noch nicht ganz gezähmte Bevölkerung der Trachonitis wagte sich von neuem zu erheben, unterstützt von den Nabatäern, die zugleich den alten herodeischen Familienbesitz in Arabien (s. S. 92) in Beschlag nahmen. H. wagte nicht recht, hiergegen einzuschreiten, um nicht etwa von neuem in kriegerische Verwicklungen mit den Nabatäern zu geraten, und so ist in den Grenzdistrikten volle Anarchie entstanden.

Erst nach längerer Zeit – etwa gegen Ende des J. 8 v. Chr. – ist es dem Geschick des treuen Nikolaos von Damaskos, der zum Gesandten in Rom ernannt worden war (s. ant. Iud. XVI 336), gelungen, den Kaiser wieder zu versöhnen. Nikolaos klagte nämlich im Bunde mit den in Rom befindlichen Gesandten des neuen Araberkönigs Aretas IV., der sich des allmächtigen, selbst nach der Krone strebenden Vezirs gern entledigt hätte, diesen vor Augustus an und vermochte dabei dessen übertriebene Angaben über das Verhalten des H. richtig zu stellen[1]. Wenn [130] [RE:126] damals Augustus dem König verzieh, so ist es übrigens sehr wahrscheinlich, daß die infolge der Ohnmacht des jüdischen Königs an der Grenze fühlbar werdenden anarchischen Zustände (s. die ant. Iud. XV 351 erwähnten Beschwerden der Städte hierüber, sowie die Berichte der Provinzialbehörden) das meiste hierzu beigetragen haben, indem Augustus allmählich die Unrichtigkeit seines Verhaltens erkannte.

Aber die Aussöhnung hat nicht die volle Restitution des Königs gebracht. Es [RE:127] heißt zwar, Augustus habe damals einige Zeit so gar daran gedacht, H. anstatt des neuen, dem Kaiser wenig genehmen Nabatäerkönigs Aretas die arabische Krone zu verleihen, aber der jüdische König soll ihm schließlich für einen neuen wichtigen Posten doch bereits zu alt erschienen sein, und außerdem sollen ihn die unerquicklichen Verhältnisse in der königlichen Familie, der bereits zum schlimmsten gediehene Streit des Königs mit seinen Söhnen, gegen H. gestimmt haben (ant. Iud. XVI 353–355). Jedenfalls haben wir von jetzt an keinen Beleg mehr für besonderes Wohlwollen oder gar für Freundschaft des Kaisers für den König, vielmehr tritt uns das Gegenteil entgegen (die schon auf S. 106f. erwähnte Einquartierung der jüngeren Söhne bei einem Juden in Rom konnte vielleicht auch kennzeichnend für diese spätere Zeit sein). Das auf die Tötung der Söhne durch H. geprägte bittere Wort des Kaisers, er möchte lieber ein Schwein (ὗς) als ein Sohn (υἱός) des H. sein, ist allerdings nicht ganz gesichert (es ist nur bei Macrob. Sat. II 4, 11 überliefert und wird hier mit dem bethlehemitischen Kindermord in Verbindung gebracht, was selbstverständlich ganz verkehrt ist; immerhin


  1. Für den arabischen Feldzug und seine Folgen s. ant. Iud. XVI 283–299. 335–353. Nikol. Damasc. frg. 5 Anfang (FHG III 351). Der Bericht des Josephus stammt aus Nikolaos von Damaskos, wie uns nicht nur der Vergleich mit dessen Ausführungen, sondern auch der Tenor des ganzen Berichtes über den Aufstand der Trachonitis und seine Folgen zeigt, s. z. B. etwa gleich den Beginn in § 272; er scheint mir zu Gunsten des Königs stark gefärbt zu sein, und da wir keinen Parallelbericht haben, so werden wir wohl niemals ganz klar sehen. An manchen Unklarheiten mag zwar auch die Bearbeitung schuld sein. So wird z. B. das nicht zurückgezahlte Darlehen als einer der Gründe für das Vorgehen des H. angegeben; Nikolaos stellt sogar vor Augustus den Feldzug im wesentlichen als eine Pfändungsaktion großen Stils dar – die Bezwingung der Räuber erscheint hier erst in zweiter Linie –, und doch ist bei der Schilderung des Feldzuges von irgendwelchen Maßnahmen zur Befriedigung dieser Forderung nicht die Rede, sondern nur von dem Kampf gegen die Räuber. Sollte nun nicht H. beabsichtigt haben, durch seinen Zug ein Pfandobjekt zu gewinnen und sich vor allem hiergegen die kriegerische Aktion der Araber gerichtet haben? Die Okkupation arabischen Besitzes scheint auch gerade von der römischen Provinzialbehörde gestattet worden zu sein (s. § 345 ‚λαμβάνειν τὰ ῥύσια‘. In § 283, vgl. § 285, wird die Erlaubniserteilung recht unbestimmt wiedergegeben), aber nicht größere kriegerische Maßnahmen, wie sie H. – wenn auch zum Teil wohl gegen seinen Willen – vorgenommen hat (den Angaben, die H. über die gefallenen Araber macht, wird man ebenso mißtrauisch gegenüberstehen müssen, wie denen des Syllaios hierüber; was der eine zu viel angibt, gibt der andere zu wenig). Man hatte offenbar gehofft, daß die Nabatäer dem bewaffneten Druck, hinter dem zudem Rom stand – ähnliche Fälle sind im heutigen Völkerleben häufig – nachgeben WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt würden, ohne daß es zu kriegerischen Aktionen käme. Das Zögern des H. bei seinem Vorgehen auch nach der Erlaubniserteilung, von dem Nikolaos ausdrücklich berichtet (s. § 345), wäre dann ohne weiteres begreiflich; H. hat eben das Bedenkliche, das in der Erlaubniserteilung lag, erkannt. Wäre von der römischen Provinzialbehörde dem Könige ein Feldzug im Nabatäerreich klipp und klar zugestanden worden, so wäre das spätere Verhalten des Kaisers nicht verständlich, da er den syrischen Statthalter, der den kaiserlichen Intentionen so stark entgegen gehandelt hätte, nicht abberufen hat. Kennzeichnend für den ganzen Bericht des Josephus erscheint mir auch die Angabe in § 352, daß Syllaios wegen seines Verhaltens von Augustus zum Tode verurteilt worden sei. Schon der Schlußsatz von § 352 spricht eigentlich dagegen, und ferner vor allem nicht nur die damalige Entlassung des Syllaios aus Rom (§ 353), sondern auch sein ganzes Verhalten in der Folgezeit (bell. Iud. I 574ff.; ant. Iud. XVII 54ff.). Nikolaos a. a. O. hat dagegen anscheinend ganz richtig unterschieden zwischen der damaligen Verurteilung des Syllaios, die offenbar nur ein Unterliegen in seiner Streitsache mit H. bedeutet, und seiner später erfolgenden Verurteilung zum Tode, vgl. Strab. XVI 782. Clermont-Ganneau Rec. d’arch. orient. VII 320f. urteilt hier nicht richtig; bei Josephus handelt es sich einfach um eine falsche Angabe.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/085&oldid=- (Version vom 6.11.2022)