§ 5. Der Raumpunkt und der Zeitstrom.
Wir gehen nunmehr zur umgekehrten Aufgabe über und wollen das Hineinspielen des Raumbegriffs in den Zeitbegriff einer näheren Prüfung unterwerfen. Zu diesem Zwecke setzen wir den Raumpunkt mit dem Zeitstrom in Verbindung. Wir gehen am besten von dem Hier-Punkte (Anfangspunkt irgend eines Koordinatensystems) aus und bezeichnen ihn mit O. Wie schon oben betont, müssen wir alle Intervalle der Zeit oder – was gleichwertig ist – alle Punkte der Zeit als durch den Raumpunkt O hindurchfließend uns vorstellen. Sind also t0, t1, t2 ... etc. aufeinander folgende Punkte des Zeitstroms, so müssen sie alle durch den Raumpunkt O ziehen. Auch die umgekehrte Ausdrucksweise ist zulässig, und wir können füglich sagen, der Raumpunkt O erhalte sich über alle Punkte des durch ihn gleitenden Zeitstroms. Bildlich gesprochen, beherrscht der Raumpunkt O den ganzen Zeitstrom, oder in umgekehrter Ausdrucksweise, alle Punkte des Zeitstroms huldigen einem Herrscher, und zwar dem Hier-Punkte des Raumes O. Der logische Dienst also, den der Begriff des Raumpunktes bei der Bildung des Zeitbegriffs leistet, ist nunmehr klargelegt.
Die Mannigfaltigkeit aller Zeitpunkte schließt sich in dem Raumpunkte zu einer einheitlichen Totalität zusammen. Oder umgekehrt ausgedrückt: Der Raumpunkt entfaltet sich in allen Zeitpunkten zu dem unendlichen Zeitstrom.
Dieser Satz zeigt nun zur Genüge, daß es völlig unmöglich ist, den Zeitbegriff ohne Mithülfe des Raumbegriffs zu konstruieren. Was die Zeit zur Zeit macht, daß wir nämlich ihre Teile in eine Einheit zusammenfassen, geschieht eben vermittels des Raumpunktes, so daß man den Raumpunkt definieren kann als die Einheit des Zeitstromes, und umgekehrt
Menyhért Palágyi: Neue Theorie des Raumes und der Zeit. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1901, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PalagyiRaumzeit.djvu/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)