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durchtrieben oder schön von Angesicht sein muss. Zum Unglück für ihn besass er keine von beiden Eigenschaften. Er war geradezu ein Ausbund von Hässlichkeit, klein von Wuchs, mager, dabei braun wie ein Zigeuner, so dass er eher einem solchen als einem Armenier ähnlich sah. Seine Nase war so lang wie der halbe Kopf, seine Beine kurz und krumm und mehrere der Zähne hatte er in Faustkämpfen verloren. Daher war es auch für jeden, der nicht an seine Aussprache gewöhnt war, schwer, ihn zu verstehen. Er sprach etwas russisch, auch armenisch, doch Gott weiss, welchen Dialekt. Auch die tatarische Sprache war ihm nicht fremd und da er in der Unterhaltung alle diese Sprachen mit einander mengte, erinnerte seine Rede lebhaft an die babylonische Sprachverwirrung. Was sein Alter betrifft, so mochte er wohl dreissig bis fünf und dreissig Jahre zählen, doch genau weiss ich es nicht.

Sein Treiben und Handeln hatte eine Licht- und eine Schattenseite. Die Lichtseite bestand für uns darin, dass wir ihn als einen armen unglücklichen Armenier kannten, den wir oft aus Mitleid in unsere Wohnung aufnahmen und mit Brod und Käse bewirteten. Seine Schattenseite lag in verschiedenen Verdächtigungen und Gerüchten, die über ihn in

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)