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„Wieso denn?“ fragte ich erstaunt, „sind denn dreissig Rubel eine kleine Summe?“

„Gewiss, für den, der etwa jeden Monat dreissig Rubel erhält, ist das immer Geld, aber für dich, dessen ganze Zukunftsstütze darin besteht, sind dreissig Rubel gar nichts.“

„Ach, lieber Johannes, Gottes Wege sind uns unbekannt! Vielleicht erhört Gott die Gebete dieses armen Mädchens und wendet mein Schicksal zum bessern!“

„Gott gebe es!“

Wir verfielen beide in Nachdenken.

„Nun Michael!“ begann Johannes nach einer Weile, „es wäre Zeit, dass du dich schlafen legst. Ich muss noch aufbleiben und ein bestelltes Porträt zu Ende bringen, vielleicht verdiene ich dabei einige Rubel!“

Mir fielen wirklich schon die Augen zu und das an diesem Tage Erlebte hatte mich dermassen erschüttert, dass ich kaum noch die Zunge bewegen konnte. Ich stellte also drei Stühle neben einander, legte in Ermangelung eines Kissens meinen Rock unter den Kopf, deckte mich mit dem Mantel zu und schlief ein.

Ich weiss nicht, wie lange ich so geschlafen haben mochte, als ich plötzlich vor Schrecken aufsprang und mich mit irrenden Blicken im Zimmer umschaute. Johannes sass

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/160&oldid=- (Version vom 1.8.2018)