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Als wir so zusammen plaudernd dasassen, fielen plötzlich meine Blicke auf das Klavier.

„Marie!“ sagte ich, „darf ich Sie bitten mir etwas vorzuspielen?“

Allerdings dachte ich dabei an ihre Trauer und wollte mich schon deswegen entschuldigen, unterliess es jedoch.

Marie setzte sich ohne ein Wort zu sagen ans Klavier und begann das allbekannte „Requiem“ von Mozart zu spielen. Als sie zum vierten Teile gelangte, vergass ich mich und ich weiss wirklich nicht, ob es die herrliche Musik des genialen Maestro oder Mariens Spiel war, das mich so mächtig ergriff – ich weiss nur, dass ich vom Stuhle aufsprang, wie ein Wahnsinniger ihre Kniee umfasste und sie zu küssen begann.

Marie wehrte mir nicht, sie hob ruhig ihre Finger von den Tasten auf und als ich sie da anblickte, bemerkte ich zwar Thränen in ihren Augen, aber auch ein Wonnelächeln, welches um ihren Mund spielte.

„Marie!“ sagte ich feierlich, „nicht wahr, du gehörst mir und ich dir? Nicht wahr, dieses Requiem war der letzte Ausdruck deiner Trauer und dann wirst du mit mir froh und glücklich sein?“

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/168&oldid=- (Version vom 1.8.2018)