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Aufrichtig gestanden, habe ich bei unseren Doktoren nie viel Grütze im Kopfe gefunden; sie drehen sich auf den Absätzen herum, schmieren eine Menge Rezepte zusammen, aber ihre Kunst ist nicht einen Pfifferling wert. Ich liess also Hripsime holen und siehe da! es vergingen nicht drei Tage und das Fieber meiner Frau hörte auf und die Bauchschmerzen meiner Kinder waren auch vorbei. Seit vier Jahren hat nun, Gott sei Dank, keine Krankheit mein Haus heimgesucht. Ob das an der Geschicklichkeit und Leichtheit ihrer Hand oder an den Arzeneien liegt, weiss ich nicht, nur so viel weiss ich, dass Muhme Hripsime bis heute mein Hausarzt ist. Und was zahle ich ihr denn! Fünf Rubel jährlich, nicht weniger und nicht mehr. Wenn sie zu uns kommt, da giebt’s einen wahren Feiertag für meine Kinder; so süss spricht sie mit ihnen und weiss die Herzen zu gewinnen. Ja, wäre ich ein Sultan, ich machte sie zum Vezier.

„Wie steht es denn um die Krankheiten in der Stadt? ’ fragte ich sie.

„Ach, davon sprecht lieber gar nicht!“ erwiderte Hripsime. „Noch zehn solcher Jahre und unsere ganze Stadt wird zu einem Spital. Ach, der Himmel weiss, was das für Krankheiten sind! Und dazu sind sie noch ganz sonderbarer

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)