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Art und sehr oft sterben die Leute ganz plötzlich. Die Glocken zerspringen fast von dem vielen Läuten, die Schaufel des Totengräbers ist stumpf geworden und von den vielen Nachfragen nach Särgen sogar das Holz im Preise gestiegen. Ja, was aus uns werden soll, weiss ich nicht.“

„Ist dir denn die Ursache dieser vielen Krankheiten nicht bekannt?“ fragte ich.

„Ach, das ist ja klar,“ entgegnete Muhme Hripsime, „es ist die Strafe für unsere Sünden. Was haben wir denn Gutes gethan, wofür wir Gnade von Gott zu erwarten hätten. Diebe, Falschmünzer, alles findest du unter uns. Das letzte Hemd ziehen sie dem Armen vom Leibe, unterschlagen Mündelgelder, Kirchengelder, mit einem Worte, es giebt keine Schandthat, die wir nicht des Nutzens wegen begängen. Wir dürfen uns also gar nicht wundern, wenn uns Gott dafür bestraft. Ja, Gott handelt ganz gerecht, gelobt sei sein heiliger Name! Im Gegenteil, es wäre zu verwundern, wenn uns Gott unbestraft liesse.“

Hripsime ereiferte sich nicht wenig und eben das hatte ich gewollt. Wenn sie einmal zu sprechen anfing, da hielt sie nicht mehr inne, die Worte quollen bei ihr wie aus einer Quelle hervor und je weiter, desto glatter ging es.

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)