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Eltern, wo wir von einem Platze zum andern mit unserer Schlafstätte wanderten. Im Juni wurde es wieder ruhiger, und wir konnten wieder draußen wohnen, benutzten auch den Waffenstillstand, um eine Reise zu Fuße nach Frauenstein zu machen. Allein im August wurden die Unruhen ärger, und wir zogen nun mit sämtlichen Sachen in die Stadt. Unser Hinter­haus wurde in die Verteidigungslinie gezogen, und wir mußten das Quartier ganz räumen, wo wir dann zum Glück die Möbles beim Herrn Oberlandweinmeister (im gegenüberliegenden Kuffenhause) unterbrachten. Den 25. August rückten 3 Compagnien Franzosen ins Haus, besetzten die Hinteretagen, wo die Fenster durchgängig mit Erdsäcken verpallisadiert waren. In der 3. Etage hatten wir die Offiziere. Meine und Emiliens Wohnung war die Seiten- oder Hofstube. Den 26. geschah der Angriff der Stadt. Mitten im Kugelregen suchte ich Emilie, die im 8. Monat der Hoffnung war, durch Bierlingen ins Hotel de Pologne (jetzt Sächsische Bank auf der Schloßstraße), wo die Tante Siegert ihre Wohnung aufgeschlagen hatte, zu bringen. Dort blieb sie auch die Nacht und den folgenden Tag. Später, wie es wieder ruhiger wurde und wir sahen, daß die Offiziers sehr gute Menschen waren, holten wir sie wieder. Die Soldaten blieben aber noch mehrere Tage da. In der Seitenstube neben der Kassenexpedition hatten sich mehrere kranke Soldaten eingenistet, was wir nicht wußten. Ich ging einmal früh hinein, um etwas aus einem Schranke zu holen, den wir darin hatten müssen stehen lassen. Sowie ich die Türe öffnete, stößt mir der Kranken­geruch entgegen, und im Nu war ich vom Nervenfieber angesteckt, was auch binnen wenigen Tagen ausbrach. Mehrere Wochen litt ich daran, während welcher Zeit meiner Frau Bruder Wil­helm ebenfalls an einem heftigen Gallenfieber litt. Noch war ich nicht genesen, da wurde mir von meiner lieben Emilie am 28. September der Julius geboren, welche Freude allen Kummer vorher wieder verscheuchte.“ Erst vier Wochen später konnte der Knabe getauft werden, denn die Wohnung war oft von Soldaten besetzt. Acht Tage nach der Kapitulation vom 13. No­vember wurde sie ganz frei, und die Familie begann, sich in den hinteren, nach der Kontereskarpe (etwa Amalienstraße) gelegenen­

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/34&oldid=- (Version vom 3.3.2024)