Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
|
gehalten würde[1]. 144 Das tun, wie mich dünkt, auch die Könige, die das göttliche Wesen nachahmen wollen, da sie ihre Gnadenbeweise persönlich darreichen, Bestrafungen dagegen durch andere vollziehen lassen. 145 Da aber von den zwei Kräften die eine die wohltuende, die andere die strafende ist, so erscheinen natürlich beide in dem Sodomiterlande, weil von den fünf vornehmsten Städten darin vier verbrannt werden sollten und nur eine frei von allem Bösen und unversehrt bleiben sollte; denn die Zerstörung musste durch die strafende, die Rettung durch die wohltuende Kraft vollzogen werden. 146 Aber da auch der gerettete Teil nicht vollständige und vollkommene Tugend besass, so erhielt er die Wohltat von der Kraft des Seienden, der persönlichen Erscheinung Gottes aber wurde er nicht gewürdigt.
[29] 147 Das ist der offenbare und für die grosse Menge verständliche Sinn; der verborgene aber, der sich nur an wenige richtet, die die Stimmungen der Seele und nicht die Formen des Körpers erforschen, soll sogleich angegeben werden. Sinnbildlich bedeuten die fünf Städte unsere fünf Sinne, die Werkzeuge, durch welche alle angenehmen Eindrücke, kleine und grosse, zustande kommen. 148 Denn wir freuen uns bei dem Anblick der Mannigfaltigkeit von Farben und Formen in unbeseelten und beseelten Dingen oder beim Anhören wohllautender Stimmen oder beim Kosten von Speisen und Getränken oder beim Einatmen wohlriechender Düfte oder bei der Berührung weicher und warmer und glatter Gegenstände. 149 Tierischer und sklavischer Natur sind drei von den fünf Sinnen, der Geschmack, der Geruch und der Tastsinn, von denen die gefrässigsten und geilsten Tiere hauptsächlich beherrscht sind; denn den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch füllen sie sich entweder mit Nahrung an oder sie folgen ihrer Brunst. 150 Zwei Sinne aber sind von feinerer Art und haben die Führerrolle, das Gehör und das Gesicht; nur sind die Ohren langsamer und gewissermassen
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/37&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
- ↑ S. die Anm. z. „Weltschöpfung“ § 75. Vgl. auch Echa R. c. 2 zu Echa 2,1. Tanchuma P. Tasria 9 bei Erklärung des Psalmwortes (Ps. 5,5) לא יגורך רע.