Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang | |
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die allgemeinen und besonderen Tugenden;[1] denn einer Stadt ist die Gattung vergleichbar, weil sie sich auch in größeren Umrissen darstellt und mehreren gemeinsam ist, die Art aber einem Hause, weil es auf einen kleineren Raum beschränkt ist und Gemeinsamkeit ausschließt. 96 Die vorbereiteten Brunnen aber sind die für sie ohne Mühen bereit liegenden Kampfpreise, Behälter himmlischer und trinkbarer Fluten, wohlbereitete Schatzkammern zur Bewahrung der oben aufgezählten Tugenden, aus denen der Seele die vollkommene, das Licht der Wahrheit ausstrahlende Freudigkeit ersteht. Die Weinberge macht er daher zum Sinnbild der Freudigkeit, die Ölberge zu dem des Lichtes. 97 Glücklich sind demnach diejenigen, die etwas Ähnliches erleben wie die aus tiefem Schlafe Erwachenden und plötzlich die Welt mühelos und ohne Anstrengung Erblickenden, unglücklich aber die, denen das nicht zuteil wird, wonach sie wetteifernd strebten,[2] angetrieben durch Streitsucht, eine sehr böse Krankheit. 98 Denn abgesehen davon, daß sie das Ziel verfehlen, nehmen sie auch noch zu dem nicht geringen Schaden eine große Schande auf sich, wie die Schiffe, die gegen widrige Winde ansegeln; denn außer dem, daß sie den schützenden Häfen fern bleiben, auf die sie hinsteuern, gehen sie oft mitsamt der Mannschaft und den Lasten unter und bringen Leiden den Freunden, Freude aber den Feinden. [22] 99 Darum sagt das Gesetz, daß „einige[3] aber zogen mit Gewalt hinauf in das Gebirge, und es kam heraus der Amoriter, der in jenem Gebirge wohnte, und er schlug ihnen Wunden, wie es die Bienen tun, und verfolgte sie von Seir bis Horma“ (5 Mos. 1, 43. 44). 100 Die zur Aneignung der Künste und Wissenschaften nicht Begabten müssen nämlich, wenn sie, durch Gewalt gezwungen, sich mit dergleichen abgeben, nicht nur das Ziel verfehlen, sondern auch Schande verdienen; und die, die ein anderes Pflichtgebot ohne innere Zustimmung tun, ungern und mit Vergewaltigung ihres eigenen freien Willens, handeln nicht verdienstlich und werden vielmehr von dem Gewissen verwundet und verfolgt. 101 Oder willst du sagen, daß diejenigen, die anvertrautes Gut von geringem Geldwert zurückzahlten, um größere Summen diebisch zu erjagen, sich durch Zuverlässigkeit auszeichnen,
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/23&oldid=- (Version vom 10.2.2022)