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Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/027

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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

die Oberhand und wir konnten uns noch nicht von ihnen reinigen und in den männlichen Wohnsitz hinüberlaufen, wie es von der tugendliebenden Seele, namens Sarah, erzählt wird.[1] 60 Sie wird nämlich in der heiligen Schrift so eingeführt, „als hätte sie alles Weibliche[2] verlassen“ (1 Mos. 18, 11), als sie den selbstlernenden Sprößling unter Schmerzen zur Welt bringen sollte, mit Namen Isaak. 61 Sie soll ja auch mutterlos gewesen sein,[3] da sie bloß von väterlicher, nicht aber von mütterlicher Seite Verwandtschaft besessen habe, unteilhaftig der Abstammung von einem Weibe. Denn an einer Stelle sagt jemand:[4] „Und auch in Wahrheit ist sie meine Schwester, [366 M.] vom Vater her, doch nicht von der Mutter her“ (1 Mos. 20, 12);[5] denn nicht (stammt sie) von der wahrnehmbaren Materie, die immer wieder entsteht und sich auflöst, welche diejenigen, denen zuerst das Reis der Weisheit aufsproß,[6] Mutter, Nährerin und Amme des Erschaffenen genannt


  1. Sarah, die tugendliebende Seele, muß die κεναὶ δόξαι und die auf ihnen beruhenden πάθη (ἐπιθυμίαι) fliehen, welche sie verweiblichen. (Ü. d. Nachstell. 28, Ü. d. Cherub. 50, De fuga et invent. 128.) Sie flieht in das Männergemach, in welchem die minderwertigen weiblichen Eigenschaften keine Stätte haben (vgl. Ü. d. Landwirtsch. 80 = IV 127, 1. De somniis II 9).
  2. Darunter versteht Philo, wie oben, „die weibischen Gewohnheiten, die in uns noch die Oberhand haben“: τὰ συνήθη καὶ εὔλογα καὶ ἀνθρώπινα De fuga et invent. 167. – Er zitiert den Bibelvers absichtlich ungenau, in welchem Sarah indirektes Objekt ist; vgl. Heinemann MGWJ. 1922, 274 ff.
  3. In Mythus, Kult und Mystik der Griechen begegnen wir schon im 5. Jhdt. v. Chr. weiblichen Gottheiten, an deren Mutterlosigkeit geglaubt wurde. Bréhier, Les idées de Philon² 119 weist auf Athena und die Aphrodite Urania des Platonischen Gastmahls (180d) hin. Hier will Philo hauptsächlich im Widerstreite zwischen Vater und Mutter, Männlichem und Weiblichem, Sarah als vollkommene Tugend, gemäß § 33f. 55, aus der Sphäre von Weiblichkeit und Mutter ausschließen. Vgl. Der Erbe d. Göttl. 62.
  4. Es ist Abraham, der sich bei Abimelech wegen der Angabe entschuldigt, Sarah sei seine Schwester.
  5. Die LXX läßt das Wort בתTochter des MT unübersetzt.
  6. Der wahre φιλόσοφος ist Moses, neben welchem Philo einige griechische Philosophen gelten läßt. Hier ist mit den allgemeinen und unbestimmten Worten Plato gemeint, wie Plutarch uns bezeugt: ὁ γὰρ Πλάτων μητέρα … καὶ τιθήνην καλεῖ τὴν ὕλην De anim. procr. in Tim. 1015 D, vgl. 1023 A. In seinem Timaeus gebraucht Plato 49 A und 52 D den Ausdruck „Amme“, 50 D und 51 A „Mutter“ für die Materie, der dann nicht nur bei den sog. Neupythagoreern, sondern auch bei den Neuplatonikern beliebt ist (vgl. Stallbaum, Ausg. Plat. Tim. S. 207).
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/027&oldid=- (Version vom 17.1.2018)