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Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/024

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bewohne, dem in unfreiwillige Verfehlungen Geratenen dagegen nur als Zufluchtsstätte, in der er lebt wie ein Ausländer in der Fremde, nicht wie ein Bürger in seiner Vaterstadt. [15] 77 Nachdem die Schrift so auch über die unfreiwilligen Mörder philosophische Betrachtungen angestellt hat, gibt sie weiter ein Gesetz über planvollen Aufruhr mit den Worten: „Wenn aber jemand seinem Nächsten nachstellt, ihn hinterlistig zu töten, und sich dann flüchtet“ (2 Mos. 21,14), nämlich zu Gott, der vorher symbolisch „Ort“ genannt worden war und durch den alle Wesen das Leben erhalten haben; denn auch an einer anderen Stelle heißt es: „Wer dorthin flieht, der wird leben“ (5 Mos. 19,5). 78 Und bedeutet nicht wirklich die Flucht zum Seienden hin ewiges Leben, ihm entlaufen dagegen Tod? – Wenn nun jemand (seinem Nächsten) nachstellt, so tut er ohne jeden Zweifel mit Vorbedacht Unrecht, und die hinterlistige Handlung ist mit der Schuld eines absichtlich verübten Verbrechens behaftet, während bei einer ohne Hinterlist vollführten Tat überhaupt keine Schuld vorliegt. 79 Es gebührt sich also, daß wir die heimlich, auf hinterlistige Weise und mit Vorbedacht begangenen Übeltaten nie auf Gottes, sondern stets auf unseren eigenen Willen zurückführen. Denn in uns selbst liegen, wie ich schon sagte, die Schatzkammern des Schlechten, in Gott die des Guten allein.[1] 80 Wer also „flüchtet“ in dem Sinne, daß er für Vergehen nicht sich selbst, sondern Gott verantwortlich macht, der soll bestraft werden, indem er des Zufluchtsortes beraubt wird, des Altars, der nur den (bei Gott) Schutz Suchenden Rettung und Sicherheit gewährt, und gewiß mit Recht; denn [558 M.] mit fehlerlosen Opfergaben, nämlich mit schuldlosen und gereinigten Seelen, ist die Opferstätte gefüllt; eine schwer oder überhaupt nicht wieder gut zu machende Schmähung ist aber die Behauptung, die Gottheit sei auch Urheberin der Übel. 81 Die Leute dieses Schlages, die sich mehr der Eigenliebe als der Gottesliebe befleißigen, mögen sich daher aus dem heiligen Bezirk hinausbegeben und sollen in ihrer Beflecktheit und Unreinheit nicht einmal von ferne die heilige Flamme der unauslöschlich brennenden Seele schauen, die sich Gott mit ihrer ganzen und vollen Kraft als Opfer darbringt. 82 Sehr schön sind die Worte, die einer der alten Weisen, der nach dem gleichen Ziel wie ich lief, zu sagen wagte:[2]


  1. Über diese Lehre Philos handelt P. Barth a. a. O. S. 30f. Vgl. besonders den Zeushymmis der Kleanthes V. 17.
  2. Plato Theaet. p. 176 c.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/024&oldid=- (Version vom 21.5.2018)