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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

Ungemach nach Aegypten hätte Kunde bringen können. 180 Voller Staunen ob des grossen Wunders trugen so die Hebräer einen ungehofften Sieg ohne Blutvergiessen davon, und im Anblick des schnellen und gänzlichen Untergangs ihrer Feinde bildeten sie am Gestade aus Männern und Frauen zwei Chöre und sangen der Gottheit Danklieder; Moses stimmte den Gesang der Männer und seine Schwester den der Frauen an, sie waren Führer der Chöre.

181 (33.) Nachdem sie vom Meere aufgebrochen waren (2 Mos.15,22ff.), wanderten sie eine Zeitlang, ohne fortan vor den Feinden sich zu ängstigen. Als ihnen aber nach drei Tagen das Trinkwasser fehlte, waren sie vor Durst wieder in Verzweiflung und begannen von neuem ihr Los zu beklagen, als hätten sie keinerlei Gutes genossen. Immer nämlich raubt die Einwirkung des gegenwärtigen Uebels die Freude über das frühere Glück. 182 Als sie aber Quellen erblickten, [p. 110 M.] liefen sie voller Freude hinzu, um zu schöpfen, aber ihre Unkenntnis der Wirklichkeit betrog sie, denn das Wasser war bitter. Nachdem sie davon gekostet, schlug ihre Stimmung infolge der getäuschten Hoffnung wieder um, sie waren nun nicht bloss körperlich ermattet, sondern auch seelisch niedergeschlagen, nicht so sehr über das eigene Leid als vielmehr über das ihrer unmündigen Kinder jammernd, deren Verlangen nach einem Trunk sie nicht ohne Tränen mitanzusehen vermochten. 183 Manche Leichtfertigere und in der Gottesfurcht Wankelmütige sprachen die Beschuldigung aus, auch das frühere Gute sei ihnen nicht sowohl als Wohltat zuteil geworden als vielmehr mit Rücksicht auf das gegenwärtige noch schlimmere Ungemach. Sie sagten, der Tod durch Feindes Hand sei dreimal, nicht einmal, besser als das Umkommen durch Durst; denn für die Verständigen unterscheide sich ein schmerzloses und schnelles Scheiden aus dem Leben in nichts von der Unsterblichkeit, wirklicher Tod sei dagegen das langsame und schmerzvolle Sterben, welches zeige, dass das Furchtbare nicht in dem Totsein, sondern allein in dem Sterben liege. 184 Als sie in solchen Wehklagen sich ergingen, betet Moses wiederum zu Gott: er kenne ja die Schwäche der Lebewesen überhaupt und der Menschen insbesondere und

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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/049&oldid=- (Version vom 1.8.2018)