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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

Aegyptens den dortigen Ueberfluss an allem mit dem gänzlichen Mangel an allem hier und waren darüber sehr unwillig und sprachen einer zum andern in folgender Weise (2 Mos. 16,3 ff.): „In der Hoffnung auf Freiheit sind wir ausgewandert, und nun sind wir nicht einmal ohne Sorge um das Leben, wir gemäss den Verheissungen unseres Führers Glücklichen, in Wirklichkeit die unglücklichsten aller Menschen. 194 Was wird das Ende des endlosen, so weiten Weges [p. 112 M.] sein? Alle, die zu Wasser oder zu Lande reisen, haben ein Ziel vor sich, zu dem sie zu gelangen Aussicht haben, die einen Handelsplätze und Häfen, die anderen irgend eine Stadt oder ein Land, nur wir haben eine nie betretene Wüste, schwierige Wege und drückende Hoffnungslosigkeit; denn wandern wir weiter, so tut sich vor uns gleichsam ein gähnendes, tiefes, unbefahrbares Meer auf, das mit jedem Tage sich weiter ausdehnt. 195 Nachdem er durch seine Rede unsere Erwartung aufs höchste gespannt und unser Ohr mit eitlen Hoffnungen erfüllt hat, peinigt er unsern Magen mit Hunger und schafft uns nicht einmal die notwendige Nahrung. Mit dem Namen einer Neuansiedlung hat er eine so grosse Menge betrogen; nachdem er uns zuerst aus einem wohlbebauten in ein unbewohnbares Land geführt hat, will er uns jetzt auch in den Hades, den letzten Weg des Lebens, senden“. 196 (36.) Trotz solcher Schmähungen war Moses nicht so sehr über die gegen ihn selbst gerichteten Scheltreden unwillig, wie über die Unbeständigkeit ihrer Gesinnung. Nach den ungemein zahlreichen, unerwarteten und ganz ungewöhnlichen Erlebnissen durften sie endlich nicht mehr bloss Natürliches und Wahrscheinliches erwarten, sondern mussten ihm vertrauen; hatten sie doch die greifbarsten Beweise für seine Wahrhaftigkeit in allen Dingen bekommen. 197 Wenn er aber andrerseits ihre Not (an Lebensmitteln) erwog, das grösste Uebel, das es für Menschen gibt, verzieh er ihnen, denn er sagte sich, dass die grosse Masse von Natur unbeständig ist und von den Eindrücken der Gegenwart sich beeinflussen lässt, die die Vergangenheit in Vergessenheit bringen und Hoffnungslosigkeit wegen der Zukunft erzeugen. 198 Während sie so alle in unerträglicher Sorge sich

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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/052&oldid=- (Version vom 1.8.2018)