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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

in jedem Jahre aus der Erde hervorwächst und entsteht, in den Kreisläufen der Gestirne am Himmel seine Ursache habe; damit daher nicht manche entweder aus schamloser Keckheit oder infolge ausserordentlicher Unwissenheit das erste Wirken einem geschaffenen Wesen zuzuschreiben wagen, meinte er: 46 Mögen sie doch im Geiste bis zum ersten Entstehen des Alls zurückgehen, bis zu dem Zeitpunkte, wo die Erde vor Erschaffung von Sonne und Mond allerlei Pflanzen und allerlei Früchte trug, mögen sie dies in ihrem Geiste beachten und daraus die Ueberzeugung schöpfen, dass die Erde auch ein andermal Früchte tragen wird nach dem Befehle des Vaters, wenn es ihm gefiele, ihm, der der Beihilfe seiner Kinder am Himmel nicht bedarf, denen er Kräfte zwar verliehen hat, aber nicht unumschränkte; denn wie ein Wagenlenker, der die Zügel, oder wie ein Steuermann, der das Ruder festhält, lenkt er alles, wohin er will, nach Gesetz und Recht, ohne eines andern zu bedürfen; denn Gott vermag alles. [15.] 47 Das ist der Grund, warum zuerst die Erde sprosste und grünte. Der Himmel aber ward alsdann ausgeschmückt in einer vollkommenen Zahl, der Vier, die man wohl, ohne fehlzugehen, als den Ausgangspunkt und die Quelle der Vollkommenheit, der Zehn, bezeichnen könnte[1]. Denn was die 10 in Wirklichkeit ist, das ist die 4, wie es scheint, in der Möglichkeit. Werden nämlich die Zahlen von 1 bis 4 der Reihe nach zusammengezählt, so ergeben sie die Zahl 10, die stets in der unendlichen Reihe der Zahlen die Grenze bildet, um die sie wie um die Biegung der Rennbahn sich drehen und herum bewegen[2]. 48 Die Vierzahl umfasst aber auch die Zahlenverhältnisse der Gleichklänge (Konsonanzen) in der Musik, der Quart, der Quint, der Oktave und der Doppeloktave, aus denen das vollkommenste Tonsystem gebildet wird. Das Verhältnis bei der durch 4 Töne (Quart) gebildeten Tonreihe beträgt 11/3, bei der durch 5 Töne (Quint) 1½, bei der einfachen Oktave

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/20&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. παντέλεια (höchste Vollendung, Vollkommenheit) wurde in der pythagoreischen Zahlensymbolik die Zahl 10 genannt.
  2. Gemeint ist das Dezimalsystem in der Benennung der Zahlen von 1 bis 10, die immer wieder verwendet werden.