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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

diese an der ihm verhassten Schlechtigkeit keinen Anteil haben; dagegen war die Schöpfung der gemischten Wesen teils passend teils unpassend für ihn, passend wegen der ihnen beigemischten besseren Idee, unpassend wegen der entgegengesetzten schlechteren. 75 Deshalb heisst es nur bei der Schöpfung des Menschen, dass Gott sprach: „lasst uns machen“, was die Hinzuziehung anderer als Mitarbeiter andeutet, damit bei den tadellosen Entschlüssen und Taten des richtig handelnden Menschen Gott, der Lenker aller Dinge, als Urheber gelte, andere Wesen dagegen, die seine Untergebenen sind, bei den entgegengesetzten; denn nicht durfte der Vater Urheber des Bösen für seine Kinder sein; ein Böses aber sind das Laster und die lasterhaften Handlungen[1]. – 76 Sehr treffend bezeichnet er die Gattung als „Mensch“ und unterscheidet dann ihre Arten, indem er sagt, „männlich und weiblich sei (der Mensch) geschaffen worden“ (1 Mos. 1,27), obwohl die Einzelwesen hier noch nicht ihre Gestalt erhielten; die nächsten Arten sind nämlich in der Gattung enthalten und zeigen sich denen, die ein scharfes Auge haben, wie in einem Spiegel[2].

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/31&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Den Plural in den Worten der Bibel „wir wollen einen Menschen schaffen nach unserem Ebenbilde“ nimmt Philo buchstäblich und erklärt ihn aus der zwiespältigen Natur des Menschen, in dessen Seele das Gute wie das Böse seinen Sitz hat. Das Böse aber, meint Philo, liegt Gott fern, Gott, der die Quelle aller Vollkommenheit ist, darf nicht als Urheber des Bösen angesehen werden; nur das Gute in der Menschenseele rührt von Gott selbst her, das Böse dagegen von anderen. Daher sind nach Philos Auffassung des Ausdrucks der Bibel bei der Schöpfung des Menschen gleichsam mehrere Demiurgen beteiligt. Selbstverständlich denkt Philo dabei nicht an andere Götter, die Urheber des Bösen im Menschen sind vielmehr göttliche Kräfte (θεῖαι δυνάμεις), die das ausführen, was Gott bei seiner Erhabenheit nicht selbst tut, wie Philo an anderer Stelle ausdrücklich sagt (de fuga § 69), dass Gott selbst den Geist, das Unsterbliche im Menschen, bildete, den sterblichen Teil dagegen durch seine Kräfte bilden liess. Der Grundsatz, dass von Gott nur das Gute, nicht das Böse, ausgehen könne, findet sich auch im Midrasch. Vgl. Beresch. R. c. 3 zu 1 Mos. 1,5: „R. Eleasar sagte: Gott verbindet seinen Namen niemals mit dem Bösen, sondern nur mit dem Guten“. Echa R. c. 2.
  2. Philo nimmt auch beim Menschen eine doppelte Schöpfung an, die des Idealmenschen und die des wirklichen ersten Menschen (vgl. § 134). Hier spricht er von dem Idealmenschen oder der Gattung Mensch, und WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt diesem Idealmenschen spricht er Doppelgeschlechtigkeit zu, indem er in den Worten der Septuaginta „ein männliches und ein weibliches erschuf er sie“ die Andeutung finden will, dass in ihm die beiden Arten Mann und Weib potenziell vorhanden waren. Veranlasst ist diese Auffassung Philos wahrscheinlich durch die Stelle in Platos Gastmahl, wo der Komiker Aristophanes in einem von ihm erzählten Mythus sagt, dass der Urmensch doppelgeschlechtig war. Diese Anschauung von der mannweiblichen Natur des ersten Menschen wird auch im Midrasch Beresch. R. cap. 8 erwähnt (aus Philo entlehnt?): „In der Stunde, da Gott den ersten Menschen schuf, schuf er ihn mannweiblich (אנדרוגינום‎); denn es heisst: Mann und Weib schuf er sie“.