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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

sieht von der Anfangslosigkeit der Welt, weil damit die völlige Untätigkeit Gottes behauptet und die göttliche Vorsehung hinweggeleugnet wird. Damit verbindet er gleich die stoisch-pythagoreische Lehre von den beiden Weltprinzipien, der wirkenden Ursache (Gott) und der passiven Materie (§ 7–12). Nachdem er kurz auf die Bedeutung der Zahl sechs im Schöpfungswerk hingewiesen (§ 13. 14), geht er auf den ersten Schöpfungstag näher ein, an dem nach seiner Ansicht die intelligible Welt, das Urbild der sichtbaren Welt, geschaffen wurde; diese Idealwelt ist aber nur ein Produkt des göttlichen Denkens, sie hat ihren Sitz in dem göttlichen Logos; dieser ist das Werkzeug, mit dem die Welt geschaffen wurde, die Ursache aber ist die Güte Gottes (§ 15–25). Mit dem biblischen Ausdruck „im Anfang schuf Gott“ ist nach Philo nicht ein zeitlicher Anfang gemeint, weil die Zeit nicht vor der Welt vorhanden gewesen sein kann; „im Anfang“ sei soviel wie „zuerst“ (§ 26–28). Hierauf werden sieben Teile der Idealwelt angeführt und besprochen, die Philo in den ersten Sätzen der Bibel, die vom ersten Tage handeln, angedeutet findet (§ 29–35). Dann folgt die Schilderung der Entstehung der sichtbaren Welt (§ 36–76); Philo sucht hier den biblischen Bericht mit den naturwissenschaftlichen Lehren zu verbinden, wie sie zu seiner Zeit allgemein verbreitet und in ihren Grundzügen schon von Aristoteles begründet waren; zugleich zieht er wiederholt die pythagoreische Zahlensymbolik heran. Auch beim Menschen, der zuletzt geschaffen wurde, nimmt Philo eine doppelte Schöpfung an; zuerst wurde die Gattung Mensch oder der Idealmensch geschaffen, der ebenso wie die Idealwelt unkörperlich ist. Er begründet diese Annahme damit, dass die Schöpfung des Menschen an zwei Stellen der Bibel erzählt wird (1 Mos. 1,27 und 2,7); in dem Worte ἐποίησεν (er machte, schuf) der ersten Stelle findet er die Schöpfung des Idealmenschen, in dem Worte ἔπλασεν (er bildete) der zweiten Stelle die Bildung des wirklichen ersten Menschen ausgedrückt. Nachdem er am Schlusse dieses Abschnitts (§ 76) diesen Unterschied, auf den er später (§ 134) zurückkommt, kurz erwähnt hat, wirft er die Frage auf, warum der Mensch zuletzt geschaffen wurde, und gibt vier Gründe dafür (§ 77–88). Die als Abschluss des Schöpfungswerkes in der Bibel ausgesprochene Heiligung des siebenten Tages gibt Philo Veranlassung, einen langen Exkurs über die Bedeutung der Zahl sieben einzuschalten (§ 89–128). Den Schluss des ersten Teiles bildet eine kurze Erläuterung der Worte 1 Mos. 2,4–6 (§ 129–133); Philo glaubt in diesen Versen eine Andeutung seiner Ansicht zu finden, dass der Entstehung der wirklichen Welt eine Schöpfung der Idealwelt vorausgegangen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/4&oldid=- (Version vom 11.5.2019)