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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

des Körpers, besonders wenn infolge schlechter Mischung unserer Kräfte anhaltendes Fieber sich einstellt, entscheiden sich meistens am siebenten Tage; dieser Tag entscheidet den Kampf ums Leben, indem er den einen Rettung, den andern den Tod zuerkennt.

[42.] 126 Die Wirksamkeit der Siebenzahl erstreckt sich aber nicht bloss auf die genannten Dinge, sondern auch auf die vorzüglichsten Wissenschaften, die Grammatik und die Musik. Denn die siebensaitige Lyra[1], die dem Chor der Planeten entspricht, bringt vorzügliche Harmonien hervor und nimmt [30 M.] unter allen Musikinstrumenten nahezu den ersten Rang ein. In der Grammatik sind unter den Buchstaben sieben die mit Recht so genannten „Tönenden“ (Vokale)[2], da sie sowohl für sich selbst tönen, als auch in Verbindung mit den andern artikulierte Laute hervorbringen; denn sie ergänzen einerseits das, was den Halbvokalen[3] fehlt, und machen sie volltönend, andererseits verändern sie die Natur der „Stimmlosen“ (der Konsonanten) dadurch, dass sie ihnen von ihrer eigenen Kraft etwas einflössen, damit die unaussprechbaren (Buchstaben) aussprechbar werden. 127 Aus diesen Gründen glaube ich, dass diejenigen, welche den Dingen am Anfang ihre Namen gegeben haben, als weise Männer diese Zahl „ἑπτά“ genannt haben wegen der ihr gezollten Verehrung (σεβασμός) und der mit ihr verbundenen Würde (σεμνότης). Die Römer, die den von den Griechen ausgelassenen Buchstaben σ hinzufügen, verdeutlichen den Ausdruck noch besser, da sie die Zahl richtiger „septem“ nennen wegen der Ableitung, wie gesagt, von σεμνός (ehrwürdig) und σεβασμός (Verehrung).

[43.] 128 Solches und noch viel mehr wird über die Siebenzahl gesagt und philosophiert. Darum hat sie auch in der Natur die höchste Auszeichnung erlangt und wird von den angesehensten Hellenen und Barbaren, die sich mit der

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/49&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Die ältere griechische Leier hatte sieben Saiten (Heptachord); an ihre Stelle trat später die pythagoreische achtsaitige (Oktachord).
  2. α, ε, η, ι, ο, υ, ω.
  3. Halbvokale heissen in der griechischen Grammatik die Buchstaben λ, μ, ν, ρ, σ.