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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

[3.] 13 In sechs Tagen, sagt er, ist die Welt geschaffen worden, nicht etwa weil der Schöpfer einen Zeitraum dazu nötig hatte – denn es ist selbstverständlich, dass Gott alles auf einmal bewirkt, nicht nur durch seinen Befehl, sondern schon durch sein Denken –, sondern weil für die Entstehung der Dinge eine bestimmte Ordnung nötig war. Zur Ordnung aber gehört die Zahl, und von den Zahlen ist nach den Gesetzen der Natur die für die Schöpfung passendste die Sechs[1]. Wenn man nämlich von der Eins an zählt, ist sie die erste vollkommene Zahl, da sie ihren Teilen gleich und aus ihnen zusammengesetzt ist, nämlich aus der Drei als der Hälfte, der Zwei als dem 3. Teil und der Eins als dem 6. Teil; zugleich ist sie, so zu sagen, sowohl männlich als weiblich und durch die Kraft der Vermischung beider Prinzipien zusammengesetzt; männlich ist nämlich in der Natur das Ungerade, das Gerade dagegen weiblich; von den ungeraden Zahlen ist nun die erste die 3, von den geraden die 2, und das Produkt beider ist die 6. 14 Denn es musste die Welt als das vollkommenste der gewordenen Dinge nach einer vollkommenen Zahl, der Sechs, geschaffen werden, und da sie die aus Paarung entstehenden Geschöpfe enthalten sollte, so musste sie auch selbst nach einer gemischten Zahl, der ersten geraden-ungeraden, gebildet werden, weil sie sowohl die Idee des den Samen spendenden Männlichen als die Idee des den Samen empfangenden Weiblichen umfassen sollte. 15 Einem jeden der sechs Tage aber teilte er einige Teile des ganzen Schöpfungswerkes zu, mit Ausnahme des ersten Tages, den er selbst, damit er nicht mit den anderen

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/9&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Die Sechs hat nach der pythagoreischen Zahlenlehre schöpferische und belebende Kraft; sie gilt als die erste vollkommene Zahl, weil sie gleich der Summe oder dem Produkt ihrer Teile ist (6 = 3×2 oder 2×3 oder 1×6 ) und weil sie die erste gerad-ungerade Zahl ist. Die Pythagoreer bezeichneten die ungerade Zahl als das männliche, die gerade Zahl als das weibliche Prinzip; die erste gerade Zahl ist 2, die erste ungerade 3 (die 1 als die allerbedeutsamste Zahl wird dabei nicht mitgerechnet), aus der Verbindung (Multiplikation) beider entsteht die 6, also ist sie die erste gerade-ungerade Zahl. Gerade-ungerade (ἀρτιοπέριττοι) nannten die Pythagoreer solche Zahlen, die durch eine gerade Zahl geteilt eine ungerade ergeben und umgekehrt, also 6, 10, 14, 18 u. s. w.