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Seite:PhiloSobrGermanAdler.djvu/5

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lassen wird. 4 Und was wundern wir uns denn darüber, daß der Nüchternheit der Seele und ihrer großen Scharfsichtigkeit nichts von allem Gewordenen gleichwertig ist? Auch die Augen des Körpers und das sinnlich wahrnehmbare Licht schätzen wir ja alle überaus; darum haben denn auch viele, die das Augenlicht verloren haben, auch das Leben freiwillig[1] von sich geworfen, weil sie entschieden haben, der Tod sei für sie ein leichteres Übel als die Erblindung.[2] 5 Je machtvoller aber nun die Seele ist als der Leib, desto besser ist der Geist als die Augen;[3] ist dieser unversehrt, unbeschädigt, von keiner ungerechten Tat oder Leidenschaft, welche die zur Besessenheit führende Trunkenheit bewirken, bedrückt, dann wird er dem Schlafe entsagen, welcher Vergeßlichkeit[4] und zögernde Scheu vor dem Handeln hervorbringt, das Wachsein aber wird er willkommen heißen und scharf auf alles, was der Schau wert ist, hinblicken; denn die Eingebungen des Gedächtnisses halten ihn wach und die Taten, die er tut, folgen der Erkenntnis.

[2] 6 Das ist also ungefähr der Zustand des Nüchternen. Wenn (die hl. Schrift) sagt: „den jüngeren Sohn“, so bezeichnet sie mit diesem Namen kein Alter, sondern läßt die Anlage eines Charakters durchblicken, der Neuerungen[5] und Umsturz liebt. Denn wie hätte er sich sonst gewaltsam, gegen Brauch und Recht, das Unschaubare angesehen, oder ausgeplaudert, was still verschwiegen werden sollte,

  1. Philo denkt hier an die Lehre der Stoiker von dem selbstgewählten Abscheiden aus dem Leben; unter den Gründen, die den Weisen zum freiwilligen Selbstmord berechtigen, werden auch unheilbare Verstümmelungen und Krankheiten auf gezählt (StVF III 757).
  2. Hier ist unter πήρωσις, wie der Zusammenhang lehrt, nur an das Augenlicht zu denken, so wie Philo Ü. d. Trunkenh. § 167 mit dem Ausdrucke πεπηρωμένοι die Geblendeten bezeichnet, (s. die Anm. 3).
  3. Über die Einwirkung dieser aristotelischen Proportion auf Philo vgl. Ü. d. Unveränderl. Gottes § 46 Anm.
  4. Die Begriffe: Vergessen und Erwachen, welche hier recht unvermittelt erscheinen, dürften in dem vorhergehenden Stück des 2. Buches Ü. d. Trunkenheit bei der Erörterung der drei Arten der γνμνότης eine Rolle gespielt haben, wie ich nach Alleg. Erkl. II 53ff. und Ü. d. Trunkenheit § 137 vermuten möchte. Hier erwähnt sie Philo, weil er die Worte ἐξένηψε und ἔγνω des Bibelzitates (§ 1) im § 2–5 erklärt. Zum Begriff des Erwachens bei Philo und in der Hermetik vgl. auch Heinemann, Die Lehre von der Zweckbestimmung 42.
  5. Νέος jung kann im Griechischen den Nebensinn des Unerhörten, Befremdlichen haben. Der MT zeigt deutlich, daß der jüngere (wörtlich: kleinere) Sohn gemeint ist.