Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn | |
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dieselben, mit denen du wie mit Zugtieren erhobenen Nackens einherfuhrest? haben wir dir etwa aus Uebermut sonst ein Missgeschick bereitet[1]? Sieh doch, wie uns bewaffnet der Engel gegenübersteht[2], die Vernunft Gottes, durch die das Gute und das Böse vollbracht wird! 36 Siehst du nicht? Was gibst du uns jetzt die Schuld, während du früher, als dir die Sachen gut gingen, keinen Tadel hattest? denn wir bleiben immer dieselben und verändern unsere Natur nicht um ein Pünktchen. Du aber urteilst unrichtig und bist ohne Grund unwillig. Denn wenn du von Anfang an erkannt hättest, dass nicht die Gewerbe, die du betreibst, Glück oder Unglück verursachen, sondern die das All lenkende und steuernde göttliche Vernunft, würdest du leichter tragen, was dich trifft, und aufhören, zu verleumden und uns etwas zuzuschreiben, wozu wir keine Macht haben. 37 Wenn nun die göttliche Vernunft den Kampf wieder abwendet und die Sorgen und Bekümmernisse darüber zerstreut und friedliches Leben dir verkündigt, wirst du heiter und froh uns die Rechte reichen, die wir doch immer gleich bleiben. Wir werden aber weder durch dein Wohlwollen stolz gemacht, noch kümmern wir uns darum, wenn du zürnst; wissen wir doch, dass wir weder an Gutem noch an Bösem schuld sind, magst du auch solches von uns glauben. Man müsste sonst auch dem Meere die Schuld geben an günstiger Fahrt wie an etwa eintretenden Schiffbrüchen, und nicht vielmehr der Verschiedenheit der Winde, die bald sanft wehen, bald mit gewaltiger Wucht daherstürmen. 38 Denn von Natur [p. 146 M.] ist jedes Wasser an sich ruhig; wenn ein günstiger Wind am Steuer (im Rücken) bläst und jedes Segel hochgezogen ist, fahren die Schiffe mit vollen Segeln in die Häfen ein; wenn aber der Wind plötzlich gegen das Vorderteil herstürmt, ruft er starken Strudel und Brandung hervor und vernichtet (die Schiffe); die angebliche Schuld an dem Unglück trägt dann das völlig schuldlose Meer, das doch offenbar nur infolge des Nachlassens oder der Heftigkeit der Winde entweder ganz ruhig ist oder von Wogen gepeitscht wird“. 39 Durch all dies wird es, glaube ich, hinlänglich klar, dass die Natur
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/015&oldid=- (Version vom 3.12.2016)