Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn | |
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Fehler bei jedem von uns sich immer ereignen, wenn wir auch noch so sorgfältige Sinneswerkzeuge gebrauchen dürfen; denn den natürlichen Missgeschicken und dem unfreiwilligen Irrtum ganz und gar zu entgehen ist schwer, ja unmöglich, da unendlich viele Anlässe, die eine falsche Meinung hervorbringen, in uns, um uns und ausser uns in dem ganzen sterblichen Geschlecht vorhanden sind. Nicht mit gesundem Urteil betrachtete also der Geist alles als sein Besitztum, wenn er sich auch in seinem Dünkel dessen brüstete. 67 (21.) Grosses Gelächter scheint auch der an äusseren Formen hängende[1] Laban bei Jakob, der die ihnen vorausgehende ungeformte Wesenheit schaut[2], erregt zu haben, als er es wagte, so zu ihm zu reden: „Die Töchter sind meine Töchter und die Söhne meine Söhne und das Vieh mein Vieh und alles, was du siehst, ist mein und meiner Töchter Eigentum“ (1 Mos. 31,43); bei jedem nämlich setzt er „mein“ hinzu und hört nicht auf von sich zu reden und zu prahlen. 68 Sage mir doch: die Töchter — das sind die Künste und Erkenntnisse der Seele — behauptest du, sind deine Töchter? wie denn? hast du sie nicht zuerst vom Geiste empfangen, der sie dich gelehrt? Dann aber kannst du sie auch verlieren wie andere Dinge, indem du sie entweder wegen anderer grosser Sorgen vergisst oder infolge schwerer und unheilbarer Leiden des Körpers oder wegen der den Alten vorausbestimmten und unvermeidlichen Krankheit des Greisenalters oder wegen tausend anderer Dinge, die man unmöglich aufzählen kann. 69 Wie aber? wenn du von den Söhnen — Söhne sind die Einzelgedanken der Seele — behauptest, dass sie dein sind, bist du bei Sinnen oder im Irrsinn, wenn du solches glaubst? Denn deine Verdriesslichkeiten, Verkehrtheiten, Geistesverwirrungen, unsicheren Vermutungen, falschen Vorstellungen von den Dingen, gedankenleeren und Träumen gleichenden Schlüsse, die zuckende Bewegungen hervorrufen, die der Seele angeborene Krankheit der Vergesslichkeit und viele andere Dinge rauben dir die Festigkeit deiner
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/023&oldid=- (Version vom 3.12.2016)