Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/030

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

haben nur wenig zur Bebauung des Feldes beigetragen, die meisten und unentbehrlichsten Dinge zum guten Gedeihen der Früchte bietet ja die Natur: Regengüsse zu rechter Zeit, die gute Temperatur der Luft, den das Wachstum fördernden, häufig herabfallenden, weichen Tau, belebende Winde, die unschädliche Gestaltung der Jahreszeiten, so dass weder der [391 M.] Sommer zu warm noch der Winter zu kalt wird und die Frühlings- und Herbstwenden den im Werden befindlichen Früchten nicht schaden. 94 Obwohl sie dies wissen und immerfort sehen, wie die Natur ihr Werk vollendet und mit reichen Gaben sie beschenkt, erdreisten sie sich doch deren Wohltaten nur für sich in Anspruch zu nehmen und gewähren keinem einen Anteil daran, als ob sie selbst die Urheber aller Früchte wären, und bekunden damit ihren Menschenhass und zugleich ihre Gottlosigkeit. Weil diese nun nicht aus freiem Entschluss sich um die Tugend bemühen, weist er sie zurecht und ermahnt sie wider ihren Willen durch heilige Gesetze, denen der Tugendhafte freiwillig, der Schlechte widerwillig gehorcht.

95 (10.) Die Gesetze gebieten ferner den Zehnten von Getreide, Wein, Oel, zahmen Haustieren und ihrer Wolle an die geweihten Priester abzugeben (4 Mos. 18,12. 5 Mos. 18,4)[1], von dem Ertrag der Felder und von den Baumfrüchten nach dem Verhältnis des Besitzes in gefüllten Körben (in den Tempel) zu bringen unter Gesängen zum Lobe Gottes, die in der heil. Schrift ausdrücklich verzeichnet sind (5 Mos. 26,1ff.)[2], und ausserdem die Erstgeburten der Rinder und Schafe und Ziegen nicht wie ihr Eigentum in die Herden einzureihen, sondern auch sie als Abgaben anzusehen (4 Mos. 18,17)[3]. So sollten sie gewöhnt werden einerseits die Gottheit zu ehren, andrerseits nicht alles zum Gegenstande des Gewinns zu machen, und sollten sich auf diese Weise mit den vornehmsten Tugenden der Frömmigkeit und Menschenliebe schmücken.

96 An einer andern Stelle heisst es: wenn du den Esel eines Verwandten oder Freundes oder überhaupt eines dir


  1. Vgl. Ueber die Einzelgesetze I § 141 und die Anm. dazu.
  2. Ueber dieses Gebot spricht Philo ausführlicher Ueber die Einzelgesetze II § 215 ff.
  3. Vgl. Ueber die Einzelgesetze I § 135.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/030&oldid=- (Version vom 31.10.2017)