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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

da sie nicht so kräftig sind wie die wildwachsenden Pflanzen und der sachkundigen Pflege des Landmanns bedürfen, um besser gedeihen zu können. 156 Er befiehlt nämlich die neu angepflanzten [p. 402 M.] Bäume drei Jahre hintereinander sorgsam zu pflegen und die überflüssigen Auswüchse wegzuschneiden (3 Mos. 19,23), damit die Bäume nicht durch deren Last gedrückt und aus Mangel an Nahrung, wenn diese sich zu sehr verteilt, geschwächt werden, die Pflanzung auch rings zu umgraben, damit nichts Schädliches daneben hervorkomme, was ihr Wachstum hindern könnte. Und ihre Frucht gestattet er nicht zu pflücken, um sie zu geniessen, nicht nur weil sie unvollkommen von unvollkommenen Bäumen kommt — auch unreife Lebewesen sind ja nicht zeugungsfähig —, sondern auch weil die jungen Bäume dadurch geschädigt und am Emporwachsen gehindert sich zu wenig über den Erdboden erheben würden[1]. 157 Viele Landleute passen auch schon zur Frühlingszeit auf die jungen Bäume auf, um die Frucht, die sie etwa hervorbringen, sofort abzureissen, bevor sie ordentlich gewachsen ist, aus Furcht, sie könnte die Bäume schwächen. Denn wenn man keine Vorsorge trifft, kommt es vor, dass sie zu der Zeit, wo sie gereifte Frucht tragen müssten, unfruchtbar bleiben oder unreife Frucht hervorbringen, weil sie durch das vorzeitige Tragen geschwächt sind; Zweige, die vorher mit solchen Früchten belastet waren, zerstören bisweilen die Stämme samt den Wurzeln. 158 Nach Verlauf von drei Jahren aber, wenn die Bäume tiefere Wurzeln geschlagen haben und fester im Boden haften und der gleichsam auf unerschütterliche Grundlagen sich stützende Stamm kräftig herangewachsen ist, werden sie imstande sein reife Früchte zu tragen im vierten Jahre entsprechend der vollkommenen Vierzahl. 159 In diesem vierten Jahre befiehlt er aber die Frucht nicht zum Genusse zu pflücken, sondern sie ganz und gar als Erstlingsabgabe Gott zu weihen (3 Mos. 19,24), teils zum Dank für den vorher gespendeten Segen, teils in der Hoffnung auf reiche Früchte in der Zukunft und guten Ertrag im folgenden Jahre. 160 Du siehst, wie der Gesetzgeber seine


  1. Nach χαμαίζηλα ἔμελλε scheint ein Wort ausgefallen zu sein (etwa γίνεσθαι oder ἔσεσθαι).
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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/047&oldid=- (Version vom 1.8.2018)