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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

die Niederlage ebenso gross, wie wenn die ganze junge Mannschaft besiegt würde —, ebenso kann der Weise an Würde sich mit einem ganzen Volke messen, weil er durch eine unzerstörbare Mauer geschützt ist, durch seine Gottesfurcht.


Ueber den Adel.

187 [p. 437 M.] (1.) Darum muss man auch die Menschen, die den Adel als das grösste Glück und als die Ursache grosser Glücksgüter preisen, nicht wenig tadeln, wenn sie zunächst nur die für adlig halten, die aus einer von alters her reichen und angesehenen Familie stammen[1]; denn auch die Vorfahren, von denen sie sich rühmen abzustammen, sind nicht wegen ihres grossen Reichtums glücklich gewesen, da das wahrhafte Glück nicht in einem der äusseren Güter, auch nicht in den körperlichen Gütern, ja nicht einmal in jedem Teil der Seele, sondern allein in dem führenden Teile (in der Vernunft) ruht[2]. 188 Denn als Gott in seiner Milde und Menschenliebe diesem Glück auch bei uns eine Stätte anweisen wollte, fand er keinen seiner Würde angemesseneren Tempel auf Erden als die Vernunft. Sie allein als das bessere Teil (in uns) trägt das Bild des Glückes in sich, mögen es auch manche nicht glauben, die von der Weisheit entweder gar nicht oder nur oberflächlich gekostet haben; denn [p. 438 M.] Silber und Gold, Ehren und Aemter, körperliches Wohlbefinden und schöne Gestalt scheinen den berufenen Machthabern zum Dienste der königlichen Tugend < zu genügen > ***[3], strahlendes Licht sehen sie nicht. 189 Da also der Adel eigener Besitz der durch vollkommene Reinigungsmittel entsühnten


  1. Philo vertritt im folgenden den stoischen Grundsatz, dass nur der Tugendhafte (Weise) den wahren Adel besitzt und in Wahrheit adlig genannt werden darf. Vgl. P. Wendland und O. Kern, Beiträge z. Gesch. d. griech. Philosophie und Religion S. 51 ff.
  2. Vgl. Seneca Epist. 44,5 non facit nobilem atrium plenum fumosis imaginibus …: animus facit nobilem. De benef. III 28,1 nemo altero nobilior, nisi cui rectius ingenium et artibus bonis aptius.
  3. Die Worte ἐοίκασι τοῖς ἐν ταῖς ἡγεμονίαις ἐπὶ χρειῶν τεταγμένοις πρὸς τὴν οἷα βασιλίδος ἀρετῆς ὑπηρεσίαν sind verderbt und lückenhaft überliefert, sie geben keinen rechten Sinn; vor ἐοίκασι ist etwa ἐξαρκεῖν (zu genügen) oder ζηλωτά (erstrebenswert) ausgefallen, vor den Worten αὐγοειδέστατον φῶς μὴ ἰδόντες fehlen jedenfalls mehrere Worte.
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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/055&oldid=- (Version vom 12.11.2017)