und Partikeln an, die gleichfalls in ihrer Grundgestalt auf lauter einsilbige Wurzeln zurückführen – dann hätten sich die Nomina und erst aus diesen, als die letzte Schöpfung der Sprache, die Verba entwickelt, wie sich denn noch heute in der Kindersprache und in Fällen pathologischer Sprachstörungen der Vorrang der Nomina vor den Verba und die Zugehörigkeit der ersteren zu einer früheren Sprachschicht deutlich erkennen lasse[1].
So barock und seltsam diese Theorie erscheinen mag, wenn man sie lediglich in ihren Einzelausführungen betrachtet, so enthielt sie doch für die Gesamtauffassung der Sprache einen wichtigen und fruchtbaren Keim. An die Stelle der gleichsam statischen Beziehung zwischen Laut und Bedeutung war hier eine dynamische getreten: die Sprache wurde auf die Dynamik des Sprechens, diese letztere selbst aber wieder auf die Dynamik des Gefühls und des Affekts zurückgeführt. Je entschiedener das achtzehnte Jahrhundert die Sonderstellung des Gefühls betonte, je mehr es darauf hindrängte, in ihm die eigentliche Grundlage und die schöpferische Urpotenz des Geistigen anzunehmen, um so mehr sah es sich daher, in der Theorie des Sprachursprungs, auf Vicos Lehre zurückgewiesen. Es ist daher kein Zufall, daß Rousseau es war, der diese Lehre zunächst aufnahm und der sie im einzelnen auszubauen versuchte[2]. In einem anderen und tieferen Sinne aber wirkten die Anschauungen Vicos bei dem Manne weiter, der von allen Denkern des achtzehnten Jahrhunderts seiner symbolischen Metaphysik und seiner symbolischen Geschichtsauffassung am nächsten steht und der gleich ihm die Poesie als die Muttersprache des menschlichen Geschlechts betrachtet. So sehr dieser Denker, so sehr Joh. Georg Hamann für den Ausdruck seiner Grundanschauung jede rationale Form der Begründung verschmäht und so sehr seine Lehre aller verstandesmäßigen Systematik zu spotten scheint: so sehr formt sie sich ihm andererseits, indem er alle ihre Teile immer wieder auf das eine Grundproblem der Sprache bezieht, zu einem gleichsam ungewollten immanenten System. Hier findet Hamanns Denken, das beständig in Gefahr steht, sich dem Zuge des unmittelbaren Gefühls und des augenblicklichen Eindrucks zu überlassen und sich damit ins Partikulare, ins Zufällige und Peripherische zu verlieren, von Anfang an einen bestimmten Mittelpunkt, den es nicht sowohl fixiert, als beständig umkreist. „Bei mir“, – so betont
er selbst – „ist weder von Physik, noch Theologie die Rede, sondern
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/108&oldid=- (Version vom 11.9.2022)