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Seite:Philosophie der symbolischen Formen erster Teil.djvu/173

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nach Steinthal unsere präpositionalen Begriffe „sehr materiell“ dadurch aus, daß sie für „hinter“ ein selbständiges Substantivum, das Rücken- oder Hinterteil bedeutet, für „vor“ ein Wort, das Auge bedeutet, verwenden, während „auf“ durch ein Wort wie Nacken, „in“ durch Bauch u. s. f. wiedergegeben wird[1]. In gleicher Funktion werden in anderen afrikanischen Sprachen, sowie in den Südseesprachen, Worte wie Gesicht und Rücken, wie Kopf und Mund, Lende und Hüfte gebraucht[2]. Und wenn dies auf den ersten Blick vielleicht als eine besonders „primitive“ Bezeichnungsweise erscheinen mag, so zeigt sich doch, daß sie noch auf weit fortgeschrittenen Stufen der Sprachbildung ihr genaues Analogon und Gegenbild besitzt[3]. Andererseits pflegt freilich die Sprache nicht dabei stehen zu bleiben, lediglich die Bezeichnungen für die Glieder und Organe des menschlichen Leibes als solche „Raumsubstantiva“ zu verwenden, sondern sie schreitet, indem sie das Prinzip dieser Bezeichnung festhält, zu einer allgemeinen Anwendung desselben fort. Die Bezeichnung des „hinter“ kann, statt durch ein Wort, wie Rücken, auch durch ein Wort wie: „Spur“, die des „unter“ auch durch ein Wort wie Boden oder Erde, die des „über“ auch durch ein Wort wie Luft zum Ausdruck gebracht werden[4]. Jetzt wird also die Bezeichnung nicht mehr ausschließlich dem Umkreis des eigenen Leibes entnommen; aber das Verfahren, das die Sprache in ihrer Darstellung der örtlichen Beziehungen befolgt, ist das gleiche geblieben. Die Vorstellung eines konkreten räumlichen Gegenstands beherrscht den Ausdruck der räumlichen Relationen. Ganz besonders deutlich tritt dies in der Gestaltung hervor, die die räumlichen Beziehungsworte in den meisten ural-altaischen Sprachen erfahren: auch hier sind es durchweg nominale Ausdrücke, wie Oberteil oder Gipfel, Unterteil, Spur, Mitte, Umkreis,


  1. [1] Steinthal, Mande-Negersprachen, S. 245 ff.
  2. [2] S. Westermann, Sudansprachen, S. 53 ff.; Gola-Sprache, S. 36 f.; Reinisch, Die Nuba-Sprache, Wien 1879, S. 123 ff.; für die Südseesprachen vgl. H. C. v. d. Gabelentz, Die melanes. Sprachen, S. 158, 230 ff., Sidney H. Ray, The Melanesian Possessives and a Study in Method (Americ. Anthropologist XXI, 352 ff.).
  3. [3] Im Ägyptischen, das eigentliche Präpositionen entwickelt hat, zeigt sich der ursprünglich nominale Charakter derselben noch deutlich darin, daß sie mit Possessivsuffixen verbunden werden; die Analyse dieser „Präpositionen“ führt auch hier vielfach unmittelbar auf die Namen von Körperteilen zurück. (Vgl. Erman, Ägypt. Grammat. ³, Berlin 1911, S. 231, 238 f.; Steindorff, Koptische Grammatik ², Berlin 1904, S. 173 ff. Für den ursprünglich nominalen Charakter der semitischen Präpositionen vgl. bes. Brockelmann, Grundriß I, 494 ff.
  4. [4] Eine große Fülle solcher teils spezieller, teils allgemeiner „Lokalsubstantiva“ hat z. B. das Ewe entwickelt; vgl. Westermanns Ewe-Grammatik, S. 52 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/173&oldid=- (Version vom 8.10.2022)