für die Unterordnung des gesamten Vorstellungsmaterials unter bestimmte sprachliche Klassenbegriffe entscheidend sind.
Denn die primäre Aufgabe der Begriffsbildung ist es nicht, wie die Logik unter dem Zwange einer jahrhundertealten Tradition zumeist angenommen hat, die Vorstellung zu immer größerer Allgemeinheit, sondern sie zu wachsender Bestimmtheit zu erheben. Sofern vom Begriff „Allgemeinheit“ verlangt wird, so ist sie doch nicht Selbstzweck, sondern sie dient nur als Vehikel, um zum eigentlichen Ziel des Begriffs, zum Ziel der Bestimmtheit zu gelangen. Bevor irgendwelche Inhalte miteinander verglichen und gemäß dem Grad ihrer Ähnlichkeit in Klassen geordnet werden können, deren eine die andere umfaßt, müssen sie selbst als Inhalte bestimmt sein. Hierzu aber wird ein logischer Akt der Setzung und Unterscheidung gefordert, durch den in dem stetigen Fluß des Bewußtseins erst irgendwelche Einschnitte entstehen, durch den das rastlose Kommen und Gehen der Sinneseindrücke gleichsam angehalten wird und gewisse Ruhepunkte gewinnt. Nicht die Vergleichung der Vorstellungen und ihre Zusammenfassung nach Arten und Gattungen, sondern die Formung der Eindrücke zu Vorstellungen ist daher die ursprüngliche und die entscheidende Leistung des Begriffs. Unter den modernen Logikern ist es vor allem Lotze, der dies Verhältnis am schärfsten erfaßt hat, wenngleich er sich in der Deutung und Darstellung, die er ihm gegeben hat, von den Fesseln, die ihm die logische Tradition auferlegte, nicht völlig zu befreien vermochte. Seine Lehre vom Begriff geht davon aus, daß die ursprünglichste Denkhandlung nicht in der Verknüpfung zweier gegebener Vorstellungen bestehen könne, sondern daß die logische Theorie hier noch einen Schritt weiter zurückzugehen habe. Damit Vorstellungen in der Form eines Gedankens verbindbar werden, bedürfen sie einzeln einer vorgängigen Formung, durch welche sie überhaupt erst zu logischen Bausteinen werden. Über diese erste Leistung des Denkens pflege man nur deshalb hinwegzusehen, weil sie in der Bildung der uns überkommenen Sprache beständig schon vollzogen sei und weil sie demnach zu den selbstverständlichen Voraussetzungen, nicht mehr zu der eigenen Arbeit des Denkens zu gehören scheine. In Wahrheit aber enthalte gerade die Schöpfung der Sprachworte, wenn man von bloßen formlosen Interjektionen und Erregungslauten absehe, die Grundform des Denkens, die Form der Objektivierung in sich. Diese kann hier noch nicht darauf gerichtet sein, Verknüpfungen des Mannigfaltigen herzustellen, die einer allgemeingültigen Regel unterstehen; sondern sie löst vor allem die Voraufgabe, jedem einzelnen Eindruck die Bedeutung eines an sich Gültigen
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/263&oldid=- (Version vom 9.2.2023)