Einzelnen waltet also hier bereits ein allgemeines Grundschema, das dann, in der fortschreitenden Erfahrung vom „Ding“ und seinen „Eigenschaften“, nur mit immer neuem konkreten Inhalt erfüllt wird. Wie der Punkt als einfache und einzelne Lage immer nur „im“ Raume, d. h. logisch gesprochen unter Voraussetzung eines Systems aller Lagebestimmungen möglich ist – wie der Gedanke des zeitlichen „Jetzt“ nur in Rücksicht auf eine Reihe von Momenten und auf die Ordnung und Folge des Nacheinander, die wir „Zeit“ nennen, sich bestimmen läßt – so gilt das gleiche auch für das Ding- und Eigenschaftsverhältnis. In all diesen Verhältnissen, deren nähere Bestimmung und Zergliederung Sache der speziellen Erkenntnistheorie ist, zeigt sich derselbe Grundcharakter des Bewußtseins, daß das Ganze hier nicht erst aus den Teilen gewonnen wird, sondern daß jede Setzung eines Teils die Setzung des Ganzen, nicht seinem Inhalt, wohl aber seiner allgemeinen Struktur und Form nach bereits in sich schließt. Jedes Einzelne gehört hier schon ursprünglich einem bestimmten Komplex an und bringt die Regel dieses Komplexes in sich zum Ausdruck. Erst die Gesamtheit dieser Regeln aber macht die wahrhafte Einheit des Bewußtseins als Einheit der Zeit, des Raumes, der gegenständlichen Verknüpfung u. s. f. aus.
Die traditionelle psychologische Begriffssprache bietet für die Bezeichnung dieses Sachverhalts kaum einen völlig zutreffenden Ausdruck dar, weil die Psychologie sich erst spät, erst in ihrem Übergang zur modernen „Gestaltpsychologie“, von den Voraussetzungen der sensualistischen Grundansicht losgerungen hat. Für diese letztere, die alle Objektivität im „einfachen“ Eindruck beschlossen sein läßt, besteht alle Verknüpfung in nichts anderem als in der bloßen Zusammenfassung, in der „Association“ der Eindrücke. Dieser Terminus ist weit genug, um alle Möglichkeiten der Beziehung, die im Bewußtsein bestehen, gleichmäßig zu umfassen; aber er macht zugleich, in dieser seiner Weite, ihre Besonderheit und Eigenart unkenntlich. Beziehungen der verschiedensten Qualität und Modalität werden unterschiedslos durch ihn bezeichnet „Association“ heißt die Vereinigung von Elementen zur Einheit der Zeit oder des Raumes, zur Einheit des Ich oder des Gegenstandes, zum Ganzen eines Dinges oder einer Folge von Ereignissen – zu Reihen, deren Glieder durch den Gesichtspunkt von Ursache und Wirkung und zu solchen, die durch den Gesichtspunkt von „Mittel“ und „Zweck“ miteinander verbunden sind. „Association“ gilt ferner als der hinreichende Ausdruck für das logische Gesetz der Verknüpfung des Einzelnen zur begrifflichen Einheit der Erkenntnis, wie etwa für die Formen der Gestaltung, die
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/53&oldid=- (Version vom 20.8.2021)