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Das Ende der Materie.[1]


Eine der überraschendsten Entdeckungen, die von den Physikern in den letzten Jahren gemacht wurden, gipfelt in der Behauptung, daß die Materie nicht existiert. Fügen wir zugleich hinzu, daß diese Entdeckung noch nicht definitiv gesichert ist. Die wesentliche Eigenschaft der Materie ist ihre Masse und ihre Trägheit. Die Masse bleibt überall und immer konstant, sie bleibt selbst dann bestehen, wenn eine chemische Transformation alle zu beobachtenden Eigenschaften der Materie geändert und scheinbar einen ganz neuen Körper hervorgebracht hat. Wenn man also zeigen kann, daß Masse und Trägheit der Materie eigentlich garnicht zukommen, daß die Materie sich die Masse gleichsam wie einen fremden Schmuck umlegt, daß diese stets als konstant betrachtete Masse doch auch Veränderungen erleiden kann: so hat man wohl das Recht zu sagen, daß es keine Materie gibt. Das ist der Sinn des erwähnten Ausspruches der neueren Physiker.

Die Geschwindigkeiten, welche man bis jetzt beobachten konnte, sind nur gering, denn die Himmelskörper, die doch alle unsere Automobile weit hinter sich lassen, machen kaum 60 oder 100 Kilometer in der Sekunde; das Licht ist allerdings etwa 3000mal schneller, aber hier handelt es sich nicht um bewegte Materie, sondern um eine Gleichgewichtsstörung, die sich durch eine relativ


  1. Vgl. das Buch von Gustave Le Bon: l’Evolution de la Matière.
Empfohlene Zitierweise:
Henri Poincaré: Das Ende der Materie. Teubner, Leipzig 1914, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Poincar%C3%A9Ende.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)