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Allgemeiner Polizei Anzeiger Dresden: Bekanntmachung: 21083) Bakunin

Mitglied der provisorischen Regierung Sachsens steckbrieflich verfolgten u. vor Kurzem in der Schweiz verstorbenen ehemaligen Regierungsrathes Todt[WS 1] u. des wegen Betheiligung am Mai-Aufstande in Dresden gleichfalls verfolgten u. ebenfalls in die Schweiz geflüchteten Professor Köchly[WS 2]. Von Dresden begab sich Bakunin nach der Schweiz, wo er ein Jahr lang theils in Zürich, theils in Genf lebte, mit den dortigen Communisten in Verbindung trat und sich mit einem Werke gegen die russische Regierung über Polen beschäftigte. Hier erhielt er zu Anfang des Jahres 1843 Seitens der russischen Regierung die Aufforderung, nach Rußland zurückzukehren, leistete jedoch diesem Befehl keine Folge, begab sich vielmehr nach Belgien, lebte 4 Monate in Brüssel u. ging von da nach Paris, woselbst er sich bis Dec. 1847 aufhielt. In Folge einer Rede, die er im Interesse der Vereinigung polnischer u. russischer Regierungsfeinde vor einer großen Versammlung öffentlich gehalten hatte[WS 3], mußte er Paris auf Befehl des Ministeriums Duchatel[WS 4] verlassen. Bakunin begab sich zunächst wieder nach Brüssel, kehrte aber bei dem Ausbruche der Februar-Revolution nach Paris zurück, schloß sich dort Ledru-Rollin[WS 5] an u. verließ im April 1848 mit dem größten Theil der zu Paris lebenden Polen Frankreich, um sich in das Großherzogthum Posen zu begeben, wurde jedoch durch das Polizei-Präsidium zu Berlin an der Ausführung seines Entschlusses behindert, erhielt indeß die Erlaubniß, nach Breslau zu gehen. Auf eine Einladung des im Mai 1848 zu Prag eröffneten Slavischen Congresses begab sich Bakunin nach Prag, nahm lebhaften Theil an den Congreß-Arbeiten u. richtete namentlich sein Augenmerk auf eine Vereinigung der slavischen u. deutschen Demokraten, um einen zu befürchteten Raçenkampf zu vermeiden. In demselben Sinne schrieb Bakunin später die Broschüre: „Aufruf an die Slaven. Von einem russischen Patrioten Michael Bakunin, Mitglied des Slaven-Congresses in Prag. Köthen. Selbstverlag des Verfassers. 1848.“ Diese Schrift enthält nicht nur die offene Aufforderung zur Revolution, sondern auch die stärksten Invectiven gegen die russische u. österreichische Regierung. Einen zweiten Aufruf an die Slaven schrieb Bakunin, als die russischen Truppen, vereint mit der österreichischen Armee, die Revolution in Ungarn bekämpften. Dieser Aufruf findet sich auch in der ehemaligen „Dresdner Zeitung“ abgedruckt. Von Prag begab sich Bakunin wieder nach Breslau, welche Stadt er Ende Juli 1848 verließ, um nach Berlin zu gehen. Hier blieb er bis zum Sept. dess. J., verkehrte dort mit Dr. d’Ester[WS 6], den er früher zu Brüssel persönlich kennen gelernt hatte, wurde mit Waldek[WS 7] und Hexamer[WS 8] bekannt, erneuerte die Bekanntschaft mit Reichenbach[WS 9], mit dem er eben so wie mit Joh. Jacobi in Frankfurt zur Zeit des Vor-Parlaments, von Paris kommend, durch seinen Freund, den Professor Voigt aus Gießen, befreundet war, wurde zu den Berathungen der äußersten Linken der preußischen Kammern zugezogen, war bei der Organisation des demokratischen Central-Ausschusses behülflich, correspondirte für die französischen Zeitungen Reforme u. Nationale, schloß sich den zu Berlin sich aufhaltenden Polen an u. erwartete mit Bestimmtheit den Ausbruch einer Revolution Polens gegen Rußland. Nachdem sich Bakunin auf kurze Zeit von Berlin nach Breslau gewendet hatte, wo er in einer öffentlichen Demokraten-Versammlung eine revolutionaire Rede zu Gunsten der Slaven hielt, wurde er aus Preußen gewiesen u. begab sich zunächst nach Dessau u. Cöthen, welche letztere Stadt er Ende 1848 verließ, um nach Leipzig zu gehen, da er sich in Sachsen unter dem damaligen Ministerium sicherer glaubte. In Leipzig wohnte Bakunin zuerst in dem durch

  1. Carl Gotthelf Todt, deutscher Jurist und Politiker
  2. Hermann Köchly, deutscher Altphilologe
  3. vgl. Rußland wie es wirklich ist!
  4. Charles Marie Tanneguy Duchâtel, frz. Innenminister 1840-48
  5. Alexandre Ledru-Rollin, frz. Politiker, 2 Monate Innenminister nach der Februarrevolution 1848
  6. Carl d’Ester, deutscher Arzt, Publizist und radikaler Demokrat
  7. Benedikt Waldeck, deutscher Politiker
  8. Adolf und/oder Wilhelm Hexamer, deutsche Revolutionäre
  9. Eduard von Reichenbach, preußischer Adeliger und demokratischer Politiker
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: Allgemeiner Polizei Anzeiger Dresden. , Dresden 2. Juli 1852, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Polizeianzeiger-Dresden-1852_XXXV_1_6.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)