Seite:Prodromos (Altenberg).djvu/187

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Die Augen, die Augen, erfüllt mit unsäglicher Angst! Diese Augen schrieen: „Hilfe!“

Ihre Tochter, die sich selbst in Leid verzehrte, wegen der mannigfachen Enttäuschungen, Krebs der Seele, und ebenfalls ein bisschen dick und schwammig wurde infolgedessen, sagte nach diesem ersten Anfalle: „Heute habe ich mir einen Revolver gekauft. Wenn mir dasselbe passierte wie Mama, passiert es mir ein zweites Mal nicht mehr – – –“

Der älteste Sohn sagte: „Gott führt Buch über unsere Einnahmen und Ausgaben während unseres ganzen Lebens. Er hofft, dass wir haushalten werden, segnet uns darum. Aber wir tun es nicht. Gott weint nicht über uns, lächelt nicht über uns. Er ist gerecht und wartet. Er will die Wahrheit unseres Lebens durch entsetzliche Strafen erzwingen. Er kontrolliert den allmählichen Konkurs des Lebenskraft-Kapitales und bestraft ihn mit „chronischer Krankheit“!

Man erwiderte dem ältesten Sohne: „Philosophieren statt Mitleid haben, pfui, aus der Art Geschlagener!“

Ja, aus der Art war er geschlagen:

Er besass das rechtzeitige, das vorzeitige Mitleid, das Präventiv-Mitleid, jenes allein wertvolle Gefühl, das sich bereits mit dem Denken vermählt hat, das Herz-Gehirn, das Gehirn-Herz!

Die alte Schwester der kranken Dame spielte mit ihr jeden Abend Bézigue, liess sie gewinnen,

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Peter Altenberg: Pròdromos. Berlin 1906, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prodromos_(Altenberg).djvu/187&oldid=- (Version vom 1.8.2018)