Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 189.jpg

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Sie nahmen nun in der Stadt auf dem Rathskeller Quartier. Der Oberst macht sich mit dem Wirthe bekannt und leert eine Flasche guten Weins mit ihm, die auf Rechnung des Obersten geschrieben wurde. Da erzählt ihm denn der Wirth, nachdem der Herr Wettford viele lustige Streiche erzählt hatte, die er in seiner Jugend ausgeübt haben wollte, aber in Wahrheit niemals ausgeübt hatte, auch einmal die Geschichte, wie er den Kaufmann um sein Vermögen betrogen habe. Darüber will der Oberst sich fast zu Tode lachen und sagt dem Gastwirth: an diesem Abende würde seine Frau mit seinen Töchtern nachkommen, die seien alle gar nicht so zimperlich und hörten auch wol gerne einmal einen guten Spaß. Da möge er ihm doch den Abend Gesellschaft leisten und auch diese Geschichte wieder erzählen. Das verspricht der Wirth auch.

Der Oberst aber geht hin zu dem Bürgermeister und den Rathsherren und vertraut ihnen: sein Bursche sei jener Kaufmann, dessen Vermögen der Gastwirth wegen der Wette hingenommen habe. Er wisse nun, daß der Gastwirth dabei als Betrüger gehandelt habe, und um die Unschuld der Kaufmannsfrau an den Tag zu bringen und dem Kaufmann sein Vermögen wieder zu schaffen, möchte der ganze Magistrat der Stadt Frauenkleider anlegen und in einer Kutsche zu ihm gefahren kommen auf den Abend und sich für seine Frau und für seine Kinder ausgeben.

Das konnte der Rath dieses Städtchens dem tapfern Oberst, der bei dem Könige so viel galt, nicht abschlagen. So fuhr denn, als es ganz dunkel geworden war, eine Kutsche vor dem Gasthofe vor, darin der ganze Magistrat als des Obersten Frau und Töchter verkleidet saß. Der Herr Bürgermeister, der sehr ehrwürdig aussah, stellte die Frau des Obersten vor und die jungen

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_189.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)